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Der Schlüssel des indirekten Steuersystems lag bei einem Ver=
band souveräner Regierungen, welche diesen Schlüssel für die
Gesamtheit wenigstens nicht handhaben konnten. Wenn das
Deutsche Reich den Schlüssel, der nunmehr in seiner Hand
schließen kann, nicht gebraucht, sondern bei den Matrikular=
beiträgen stehen bleibt, so besiegelt es seine Schwäche, seine
Unwahrheit als politische Institution. Denn der mahnende Gläu=
biger der Einzelstaaten muß eines Tages sich in den bettelnden
Kostgänger verwandeln, den man hinauswirft, und könnte man
wirksame Institutionen auf den bloßen guten Willen bauen, so
bliebe das Reich doch abhängig von dem Glück und Geschick der
Finanzkunst in 26 verschiedenen Staaten. — Zweitens: das di=
rekte Steuersystem, auf welches die Einzelstaaten, da sie die
Quelle des indirekten nur in unvollkommenem Maße öffnen
können, ihre Leistungen basieren müssen, ist erhöhter Leistungen
nicht mehr fähig, weil die jetzigen bereits auf eine schädliche Höhe
hinaufgeschraubt sind. Der Reichskanzler entwickelt hier die
großartigen Konsequenzen seines Reformplanes für eine wohl=
tätige Verteilung der Steuerlast, Konsequenzen, in die ihm, wie
er andeutet, die Zustimmung seiner preußischen Kollegen bisher
noch nicht ganz gefolgt ist. Er will nicht nur die ganze Grund=
und Gebäudesteuer den Lokalverbänden überweisen, nicht nur die
Klassensteuer vollständig beseitigen, sondern auch die Beamten
von jeder Steuer auf ihren Gehalt befreien und, auf den Stufen
der eigentlichen Einkommensteuer von 1000 bis zu 2000 Taler,
und von über 2000 Taler, einen Unterschied machen zwischen
sundiertem, d. h. auf vererbbarem Besitz beruhendem Einkommen,
und nicht fundiertem, d. h. auf schwankendem Arbeitsverdienst be=
ruhendem. Auf der ersteren Stufe soll das Einkommen aus der
letzteren Quelle gänzlich frei bleiben, auf der zweiten Stufe soll
es mit einem geringeren Satze besteuert werden. Über die un=
ermeßliche Wohltätigkeit dieser Absicht kann kein Zweifel sein.
Viele kluge Leute werden sie aber für unausführbar halten.
Möchten sie die Lehre empfangen, daß der Maßstab des Könnens,
den sie mit Recht an sich selbst legen, von ihnen mit Unrecht an