Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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nommen werden. Alle Behauptungen wegen Verletzung der 
Reichsverfassung wies der Kanzler entschieden zurück und forderte 
die Parteien auf, den zornigen Kampf der Fraktionen nicht so 
weit zu treiben, daß die Interessen des Reichs darunter leiden. 
„Die Stellung zum Franckensteinschen Antrage“, sagte er, 
„wird hier als Probestein behandelt in bezug auf die Reichs= 
treue oder Nichtreichstreue. Die Behauptung, daß die Finanz= 
hoheit des Reichs durch den Franckensteinschen Antrag verloren 
ginge, muß ich für eine gänzlich unbegründete und aus der Luft 
gegriffene halten. Die Finanzhoheit des Reiches ist in der Ver= 
fassung begründet, in verschiedenen Paragraphen. Keiner dieser 
Paragraphen erleidet durch die Annahme des Franckensteinschen 
Antrages auch nur die mindeste Änderung.“ 
„Lieber wäre mir die ganze Sache allerdings ohne Matri= 
kularumlagen, aber ich habe doch eben nicht die Wahl, die Dinge 
so zu machen, wie ich sie mir an die Wand malen kann. Wenn 
ich von der liberalen Seite ohne Unterstützung, ohne Anhalt, 
ohne bestimmte annehmbare Vorschläge bleibe, so muß ich den 
von anderer Seite kommenden Vorschlag prüfen, was gibt er 
denn? Nun er gibt mir in dem Sinne, wie ich die Matrikular= 
umlagen bekämpft habe, recht. Ich habe gesagt, bisher sei das 
Reich ein lästiger Kostgänger bei den einzelnen Staaten, ein 
mahnender Gläubiger, während es der freigebige Versorger der 
einzelnen Staaten sein müßte, bei richtiger Benutzung der 
Quellen, zu welcher der Schlüssel durch die Verfassung in die 
Hände des Reichs gelegt, bisher aber nicht benutzt worden ist. 
Dieser „freigebige Versorger“ wird das Reich durch die Annahme 
des Franckensteinschen Antrages, der sich von dem früher in der 
Kommission vorgelegten Bennigsen'schen bezüglich der Versorgung 
der Staaten nur dadurch unterscheidet, daß man den einzelnen 
Staaten ein höheres Maß der Selbstbestimmung in der Ver= 
wendung dessen, was ihnen zugestanden wird, beläßt. Das Reich 
ist nicht mehr ein lästiger Kostgänger, sondern ein Kostgänger, 
der ein gutes Kostgeld bezahlt und darüber hinaus sich freigebig 
erweist. Es ist ein Kostgänger wie ein König, der bei einem
	        
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