Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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wissen konnte, ob theoretische Fragen nicht bei dem unsicheren 
Verlaufe des Krieges von praktischem Gewicht werden konnten. 
Die Annahme des Frankfurter Wahlgesetzes im Jahre 1866 war 
aber ein Kampfmittel rebus sic stantibus; der Verzicht auf einen 
Teil und auf einen so wesentlichen des Frankfurter Programms, 
welches damals noch die Unterlage für die deutsche National= 
bewegung bildete, konnte als neue Verdächtigung der nationalen 
Gesinnungen Preußens ausgebeutet werden. Und wenn der 
Krieg nicht so günstig verlief, wie es der Fall war, so lag in 
der Entfesselung nationaler Begeisterung des deutschen Volkes 
ein gegebenes Stadium der weiteren Entwickelung. Noch gegenüber 
den französischen Zumutungen und Kriegsdrohungen in den 
Jahren 1866/67 war eins der Argumente von Gewicht, die Graf 
Bismarck dem französischen Botschafter im Interesse des Friedens 
entgegenhielt, in die Worte gefaßt: Qu'une guerre nationale 
entre les deux nations pourrait facilement dégénérer en guerre 
à coups de révolutiom. Es war von Wichtigkeit, auch in 
Frankreich den Glauben nicht zu beeinträchtigen, daß ein deutsches 
Kriegsprogramm ein rein nationales sein würde. Selbst bei den Ent= 
schließungen der süddeutschen Regierungen, bei denen das entschei= 
dende Gewicht durch die nationale Gesinnung des Königs Ludwig 
von Bayern gegeben wurde, konnte die Frage nationaler Erhebungen 
nicht ohne Beachtung bleiben, geradeso wie die Symptome un= 
garischer nationaler Bewegungen während des Krieges von 1866 
nicht ohne Bedeutung für das Wiener Kabinet bleiben konnten. 
In der damaligen Situation schien es bedenklich, von 
den deutschen nationalen Forderungen, so wie sie sich im 
Frankfurter Parlament gestaltet hatten, weiter als notwendig ab= 
zugehen und namentlich die Beteiligung der deutschen Nation an 
ihren Wahlen in dem Moment, wo eine entscheidende Erklärung not= 
wendig war, irgendwie zu verkürzen oder herunter zu handeln. 
Außerdem war damals die Annahme berechtigt, daß die 
monarchische Gesinnung und dynastische Anhänglichkeit in den 
breitesten Schichten der Bevölkerung weniger angekränkelt war, 
als in denjenigen, welche in den Parlamenten von Frankfurt bis
	        
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