Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Ein Staatswesen, dessen Regiment in den Händen der Be- 
gehrlichen, der novarum rerum cupidi und der Redner liegt, 
welche die Fähigkeit, urteilslose Massen zu belügen, in höherem 
Maße als andere besitzen, wird stets zu einer Unruhe der Ent= 
wickelung verurteilt sein, der so gewichtige Massen, wie staatliche 
Gemeinwesen sind, nicht folgen können, ohne in ihrem Organismus 
geschädigt zu werden. Schwere Massen, zu denen große Na= 
tionen in ihrem Leben und ihrer Entwickelung gehören, können 
sich nur mit Vorsicht bewegen, da die Bahnen, in denen sie einer 
unbekannten Zukunft entgegenlaufen, nicht geglättete Eisenschienen 
haben. Jedes große staatliche Gemeinwesen, in welchem der 
vorsichtige und hemmende Einfluß der Besitzenden, materiellen 
oder intelligenten Ursprunges, verloren geht, wird immer in eine 
der Entwickelung der ersten französischen Revolution ähnliche, 
den Staatswagen zerbrechende Geschwindigkeit geraten. Das 
begehrliche Element hat das auf die Dauer durchschlagende Über= 
gewicht der größeren Masse. Es ist im Interesse dieser Masse 
selbst zu wünschen, daß dieser Durchschlag ohne gefährliche Be= 
schleunigung und ohne Zertrümmerung des Staatswagens erfolge. 
Geschieht die letztere dennoch, so wird der geschichtliche Kreislauf 
immer in verhältnismäßig kurzer Zeit zur Diktatur, zur Gewalt= 
herrschaft, zum Absolutismus zurückführen, weil auch die Massen 
schließlich dem Ordnungsbedürfnis unterliegen, und wenn sie es 
a priori nicht erkennen, so sehen sie es infolge mannigfaltiger 
Argumente ad hominem schließlich immer wieder ein und erkaufen 
die Ordnung von Diktatur und Cäsarismus durch bereitwilliges 
Aufopfern auch des berechtigten und festzuhaltenden Maßes von 
Freiheit, das europäische staatliche Gesellschaften vertragen, ohne 
zu erkranken.“— 
Seitens der Fortschrittspartei war, wie schon früher, auch 
in der ersten Session von 1871 der Antrag auf Zahlung von 
Reisekosten und Tagegeldern an die Mitglieder des Reichstages 
erneuert worden. 
Der Reichskanzler sprach sich auch jetzt gegen diesen Antrag 
aus. Er sagte in der Hauptsache folgendes:
	        
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