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beschloß der Reichstag, den Bundeskanzler aufzufordern, dahin zu
wirken, daß in Zukunft ein gleichzeitiges Tagen von territorialen
und Provinzial=Landtagen mit dem Reichtag vermieden werde.⁶⁹)
Schon damals ist nach Möglichkeit darauf hingewirkt worden,
diesem Beschluß die Berücksichtigung der Bundesregierungen zu
sichern. Gleichwohl erhielt der Reichstag in seiner Sitzung vom
19. Februar 1870 dadurch, daß einen Tag nach seinem Zu=
sammentritt der mecklenburgische Landtag sich versammelt hatte,
Gelegenheit, von neuem mit diesem Gegenstande sich zu beschäftigen.
Die unveränderte Fortdauer der bisherigen Unzuträglichkeiten
führte den Reichstag am 8. Mai 1872 zu dem Beschluß, den
Reichskanzler aufzufordern, dahin zu wirken, daß in Zukunft
ein gleichzeitiges Tagen von Landtagen mit dem Reichstag,
wo möglich durch Feststellung eines bestimmten Anfangs=
termins, für die ordentlichen Sessionen des Reichstags, ver=
mieden werde.
Noch dringender wiederholte der Reichstag diese Aufforderung
in der nächsten Session, indem er am 13. Juni 1873 beschloß,
folgende Erklärung abzugeben: Ganz besonders ist von der
Reichsregierung auf Abstellung des gleichzeitigen Tagens der
einzelnen Landesvertretungen mit dem Reichstag zu dringen,
indem dadurch die Tätigkeit der Abgeordneten wie das Interesse
des Volkes daran in einer Weise zersplittert wird, welche der
vollen Hingebung an die großen nationalen Aufgaben des Reiches
hemmend in den Weg tritt.
Der von allen Seiten geteilte Wunsch, diesem Verlangen
zu entsprechen, ist ein wesentliches Motiv dafür gewesen, daß
durch das Gesetz vom 29. Februar 1876 der Beginn des Etats=
jahres für den Reichshaushalt vom 1. Januar auf den 1. April
verlegt worden ist. Allein diese Maßnahme ist von dem er=
warteten Erfolge einer Verhinderung des Zusammentreffens von
Reichstags= und Landtags=Sessionen nicht begleitet gewesen, und
zwar zum Teil deshalb nicht, weil einige Bundesstaaten dem
⁶⁹) efr. „Provinzial=Correspondenz“ vom 18. Februar 1880.
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