Full text: Bismarcks Staatsrecht.

229 
gierungen leiden und die Kräfte ihrer Organe trotz aufreiben= 
der Tätigkeit unzulänglich zur rechtzeitigen Bewältigung derselben 
werden, liegt in der Natur des Geschäftsganges. 
Eine befriedigendere Ordnung der Verhältnisse kann nur durch 
eine Änderung der Reichsverfassung hergestellt werden. Der 
hauptsächlichste Grund der erwähnten Mißstände liegt darin, daß 
gegenwärtig die Zeit, in welcher die Bundesstaaten für die ge= 
setzliche Feststellung ihrer Haushalts=Etats Sorge zu tragen 
haben, vielfach mit der Zeit, deren der Reichstag zur Verhand= 
lung über den Reichshaushalts=Etat bedarf, sich zu nahe berührt; 
nach dieser Richtung hin wird daher die Abhülfe zu suchen sein. 
Der Reichshaushalts=Etat muß nach Art. 69 der Verfassung⁷⁰) für 
jedes Etatsjahr vor Beginn desselben durch ein Gesetz festgestellt 
werden. In mehreren Bundesstaaten, wie namentlich in 
Preußen, ist die Etatsperiode ebenfalls eine einjährige. Um in 
der Veranschlagung der einzelnen Etatsansätze den gegebenen 
Verhältnissen möglichst nahe zu kommen, macht sich in diesen 
Staaten naturgemäß das Bestreben geltend, die Verhandlungen 
über den Etat nicht zu frühzeitig vor dem Beginn der neuen 
Etatsperiode zum Abschluß zu bringen. Denjenigen Staaten 
gegenüber, welche ihren Etat jetzt jährlich feststellen, wird mithin 
auf die Vermeidung des Zusammentreffens von Reichstags= und 
Landtags=Sessionen mit Sicherheit nur dann zu rechnen sein, 
wenn das System der einjährigen Etatsperioden, sowohl für das 
Reich als auch für die beteiligten Bundesstaaten aufgegeben 
wird, und wenn an dessen Stelle zweijährige Etatsperioden mit 
der Maßgabe eingeführt werden, daß diese für das Reich einer= 
seits und für die Bundesstaaten andererseits nicht in demselben 
Jahre ihren Anfang zu nehmen hätten. Auf diesem Wege ließe 
sich erreichen, daß in dem Jahre, in welchem der Reichshaus= 
halts=Etat festgestellt wird, keine parlamentarische Verhandlung 
über einen Landeshaushalts=Etat stattfände, und daß wiederum 
die Budgetverhandlungen der Bundesstaaten durch eine kon= 
  
⁷⁰) efr Anmerkung 68.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.