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Zahl und Selbständigkeit bestehen lassen, nur das allgemeine
gleiche und geheime Stimmrecht auch bei den Abgeordnetenwahlen
zur Geltung bringen. Noch andere dagegen wünschten, den
Reichstag an die Stelle des ganzen preußischen Landtages, d. h.
des Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses zu setzen, also
das Herrenhaus ganz zu beseitigen. Über alle diese Auffassungen
und Anträge sprach sich der Ministerpräsident Graf v. Bismarck=
Schönhausen wie folgt aus:
„Es hat der königlichen Regierung und den Bundesbehörden
ja von Anfang an nahe gelegen, auf eine Vereinfachung
des seit 1866 geschaffenen Räderwerkes hinzuwirken und die
Frage, auf welche Weise dies zu geschehen habe, auf welche Weise
dies möglich sei, hat uns vielfach auch vor dieser heutigen An=
regung beschäftigt. Daß es im Wege einer einfachen Vereinigung
des Mandats für den Reichstag und für das preußische Ab=
geordnetenhaus nicht tunlich ist, will ich versuchen, nachzuweisen,
nicht um die Absicht, die sich darin ausspricht, zu bekämpfen,
sondern nur um Ihnen die Schwierigkeiten klar zu legen, mit
welchen die Regierungen zu kämpfen haben, um diesem Ziele
näher zu treten. Die erste Schwierigkeit muß ich als Vertreter
der Krone geltend machen; sie betrifft das Auflösungsrecht der
preußischen Krone im preußischen Verfassungsleben. Dieses
Auflösungrecht würde sich auf einen Teil des Rcichstages doch
nicht ohne Bewilligung, ohne Einverständnis der Bundesbehörden
anwenden lassen. Es würde also schon hierin die Notwendigkeit
einer wesentlichen Änderung der Bundesverfassung liegen, indem
man nicht zugeben kann, daß ein einzelnes Glied des Bundes,
und wäre es auch das mächtigste, befugt sein könnte, einen Teil
des Reichstages nach Belieben aufzulösen.
Ferner würde die hier vorgeschlagene Einrichtung mit dem
Zweikammersystem in Preußen unverträglich sein. Der Nord=
deutsche Bund hat das Recht zu verlangen, daß bei der Wahl
für seinen Reichstag die sämtlichen norddeutschen Bürger zur
Auswahl dazu bereit stehen, was bei dem Zweikammersystem
nicht der Fall ist.