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liberaler und konservativer Seite haben Männer von ernster
patriotischer Gesinnung auf die Gefahren der häufigen Wieder=
holung einer in alle Volksschichten getragenen Erregung hin=
gewiesen, welche die kurze Periode der Reichstagswahlen mit
sich bringt. Auch mit aus solchen Hinweisungen entnahm die
Staatsregierung den Grund zu ihrem Vorschlag einer vier=
jährigen Legislaturperiode in Verbindung mit der zweijährigen
Budgetperiode. Diese desfallsigen Vorschläge der Staats=
regierung haben keine Zustimmung gefunden. Um so bedenk=
licher wäre es aber, die Aufregung der allgemeinen gleichen und
unmittelbaren Wahl in der kurzen Periode von drei Jahren
regelmäßig zweimal in das preußische Volk zu tragen durch die
Reichstagswahl und durch die Landtagswahl. Denn wie auch
über die Formalitäten des preußischen Wahlverfahrens geurteilt
werden mag, die Heftigkeit des Wahlkampfes wird bei den
letzteren jedenfalls vermindert, ohne daß das Resultat immer
geändert wird. Die Urwähler finden leichter den Mann heraus,
mögen sie nun bloß nach Parteirücksichten oder nach Rücksichten
der allgemeinen Vertrauenswürdigkeit verfahren, den sie von
einer kleinen Gemeinschaft aus in den Wahlkörper senden, als
sie den Abgeordneten finden können, den sie mit einer Gemein=
schaft wählen sollen. Es müssen daher im letzteren Fall weit
mehr Mittel aufgeboten werden, den Wähler zur Entscheidung
für einen bestimmten Abgeordneten zu bewegen, und das Auf=
gebot dieser Mittel durch zwei oder meistens durch drei bis vier
Parteien in einem und demselben Wahlkreis macht die Agitation
so aufregend.
Dieser Umstand kann unmöglich unbeachtet bleiben, wenn
der Schritt erwogen werden soll, das Reichswahlrecht auf die
preußischen Wahlen zu übertragen.
Es sind aber noch andere Punkte ernstlich zu beachten.
Bei der Vergrößerung des Staats im Jahre 1866 hat man
unter der Dringlichkeit der damaligen Verhältnisse die Wahl=
kreise und damit die Mitglieder des Abgeordnetenhauses einfach
nach dem bisherigen Verhältnis der Abgeordneten zur Be=