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auf einem Prinzipe, das allerdings von Fürst Bismarck einmal
scharf verurteilt und seitdem mehr und mehr von allen Parteien
aufgegeben ist, von den einen, weil sie im allgemeinen direkten
Wahlrecht das allein richtige Prinzip erkennen, von den anderen,
weil sie eine rein ständische Wahlordnung erstreben, nicht im alten
Sinne des Wortes, sondern in einem modernen, und nicht bloß
für Preußen, sondern auch für das Reich.
Sind das für den Augenblick akademische Fragen, so werden
sie doch einigermaßen praktisch durch unsere noch nicht abge=
schlossene Verwaltungsreform. Diejenigen Politiker, die in dem
Reichswahlgesetz den Ausdruck der reinen Vernunft erkennen,
sind auch naturgemäß sofort entschlossen, dasselbe nicht bloß auf
den Staat, sondern auf Kommune, Kreis und Provinz zu über=
tragen. Wenigstens die preußische Fortschrittspartei verlangte
im Jahre 1869 etwas ähnliches und machte auch bei der Städteord=
nung vor solcher Uniformierung nur aus Gründenpolitischer Oppor=
tunität halt. Erweist es sich nun aber, daß nicht jeder Verband
dasselbe Wahlrecht verträgt, daß eine Stadt= oder Dorfgemeinde
Interessen aufrecht zu erhalten hat, die nicht ohne weiteres dem
allgemeinen Wahlrecht Preis gegeben werden können, so erhält
auch die Frage ihre Berechtigung, ob das, was für das Reich
zweckmäßig oder erträglich ist, ohne weiteres auf den Staat
übertragbar ist, ob nicht vielmehr auch hier die Verschiedenartig=
keit der Verbände diejenige des Wahlrechts verlangt oder ge=
stattet. Das allgemeine direkte Wahlrecht als Grundlage des
preußischen Abgeordnetenhauses ist nicht bloß eine fortschrittliche
Forderung, sondern gelegentlich auch einmal von konservativer
Seite geltend gemacht, damals, als von dieser (freilich nur sehr
vereinzelt) vorgeschlagen wurde, das Abgeordnetenhaus aus den
preußischen Mitgliedern des Reichstages zusammenzustellen.
Wie verschieden ein und dasselbe Wahlrecht für Verbände un=
gleichen Umfanges und ungleicher Interessen wirkt, hat uns
Amerika gelehrt. Auf die Frage, wie die berüchtigte Tammany=
Wirtschaft möglich war, gab Fr. Kapp in den „Preußischen
Jahrbüchern“ die beste Auskunft. Das Übel, sagt er, liegt in
Bismarcks Staatsrecht. 16