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Ob und wie darauf weiter für das Abgeordnetenhaus und
für den Reichstag zu bauen ist, soll uns hier und heute nicht
beschäftigen. Wir wollten nur auf die Wichtigkeit unserer Ver=
waltungsreform für die Entscheidung der während der Wahl=
agitation zur Erörterung gelangten Wahlordnungsfrage für
die Monarchie hinweisen. Landgemeinde= und Städteordnung
stehen noch in Aussicht. Jedes radikale Verallgemeinern des
Stimmrechtes entscheidet auch für Staat und Reich. Ins=
besondere aber ist die Erhaltung der natürlichen ständischen
Gruppen ein konservatives Interesse auch unter dem Gesichts=
punkte der künftigen Lösung der Wahlfrage für Staat und
Reich.“
Im Jahre 1892 gab die Steuerreform Anlaß zur Erörterung
des Wahlsystems. Die freisinnige Partei des preußischen Ab=
geordnetenhauses stellte den Antrag, die Staatsregierung um
Auskunft darüber zu ersuchen, ob sie beabsichtige in der
nächsten Session Gesetzentwürfe vorzulegen 1. über Abänderung
des Wahlrechts mit Rücksicht auf die neuen Steuergesetze,
2. über eine Neueinteilung der Wahlkreise in Anbetracht der
seit 1860 veränderten Bevölkerungsverhältnisse.
Wenige Tage nach Veröffentlichung dieses Antrages erschien
ein offiziöser Artikel, worin ausgeführt wurde, die Änderung
des Wahlrechts aus Anlaß der Steuerreform sei während der
Verhandlungen über das Einkommensteuergesetz Gegenstand der
Erörterung von seiten der Regierung gewesen, aber die Ansicht
habe überwogen, daß erst mit dem Abschluß der Steuerreform
die Unterlage für die durch dieselbe bedingte Änderung des Wahl=
systems gegeben sein würde. Die offiziöse Mitteilung fügte
hinzu, an der Grundlage des jetzigen Wahlrechts, dem auf der
Besteuerung basierten Dreiklassensystem mit indirekter und öffent=
licher Wahl, solle festgehalten werden; es gelte nur, „die Aus=
wüchse des Systems nach der plutokratischen Seite hin“, nämlich
die „Folgen einer Steuerreform, deren Zweck die stärkere Heran=
ziehung der stärkeren und Entlastung der schwächeren Schultern
sein solle, zu beseitigen.“
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