Verträge und Verfassung.
In einer Ansprache des Königs Wilhelm II. von Württem=
berg an das württembergische Volk im Oktober 1891 hieß es:
„Ich verspreche die Verfassung des Landes getreu zu wahren . .
und Meine Stellung als Regent eines deutschen Staates in un=
erschütterlicher Treue zu den Verträgen, die unser großes deut=
sches Vaterland begründeten, wahrzunehmen.“ Diese Ausdrucks=
weise, welche die „Verträge“ als die staatsrechtliche Grundlage
des heutigen Zustandes im Deutschen Reiche bezeichnete, war
damals mehrfach an verschiedenen Stellen offiziell gebraucht
worden. Dennoch erregte der Ausdruck in der norddeutschen
Presses⁸¹) Anstoß, die darauf hinwies, daß ein fortgesetzter un=
richtiger Sprachgebrauch leicht falsche Vorstellungen erwecken könne.
Die Errichtung des Reiches beginne allerdings mit einem Ver=
trage, nämlich dem vom 16. August 1866, durch welchen die
Staaten des späteren Norddeutschen Bundes sich verpflichteten,
den letzteren zu begründen. Nachdem die Verfassung des Nord=
deutschen Bundes aber in Kraft getreten, sei der Vertrag, der
deshalb auch nur auf 1 Jahr abgeschlossen worden, erfüllt und
erledigt. In gleichem Sinne sagt Laband: „Das August=
Bündnis ist die alleinige völkerrechtliche Basis für die Errichtung
des Bundes, in keiner Hinsicht dagegen die staatsrechtliche Grund=
lage des Norddeutschen Bundes selbst.“
⁸¹) Insbesondere bei der „National=Zeitung“, Oktober 1891.