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Damals hatten wir die Einheit nicht, jetzt haben wir sie. Sollte
sie dadurch, daß wir sie besitzen, an Wert für uns verloren
haben? Ich kann es nicht denken. Aber es mindert den Glauben
des Auslandes an die Festigkeit unseres Zusammenhanges,
wenn wir die nationale Sache scheinbar mit Gleichgültigkeit be=
handeln.“
Am 27. August desselben Jahres empfing sodann der
Fürst 600 Frankfurter ⁸⁵) zu denen er über dasselbe Thema sich
äußerte:
„Ich bin ja daran gewöhnt, schon wie ich Minister war
und heute noch mehr, daß meine Bestrebungen und Über=
zeugungen in demjenigen Teile unserer Presse, der bei Her=
stellung des Deutschen Reichs nicht mitgewirkt hat, wenigstens
nicht aktiv und wahrnehmbar, angegriffen und entstellt werden.
So sehe ich mich täglich in Blättern, die mir zugeschickt werden,
ohne daß ich sie bestellt habe, als Partikularisten hingestellt. Nun
ist das im Rückblick auf meine bisherige Lebenstätigkeit, auf
meine ganze Lebensstellung, ja eine ziemlich komische Anklage.
Man beschuldigt mich, ich hetze die Partikularisten gegen das
Reich. Umgekehrt: wer das, was ich gesagt habe, ich will nicht
sagen mit Wohlwollen, aber doch mit Aufmerksamkeit betrachtet,
der wird wissen, daß ich nur wünsche, daß die Einzelstaaten
ihre Kräfte im Interesse unserer nationalen Einrichtungen und
für unsere Reichspolitik betätigen. Ich habe bei anderer Ge=
legenheit gesagt, daß die Landtage sich mehr mit der Reichs=
politik beschäftigen sollten. Ich kann ja damit nicht gemeint
haben, daß die Landtage dem Reichstage vorgreifen, auch nicht,
daß sie dem Bundesrate das Konzept korrigieren sollten, sondern
ich meine damit nur, daß in den Landtagen das Schweigen über
das Reich zu tot ist. Ich habe nie den Gedanken gehabt, daß
in den Landtagen die deutsche Politik gemacht werden sollte,
aber die Landtage sollten meines Erachtens doch ihre Minister
fragen: Wie habt Ihr sie gemacht und warum habt Ihr sie
⁸⁵) efr. „Hamburger Nachrichten“ v. 4. September 1893.