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ich wünsche die partikularen Landtage mehr, als bisher der Fall
gewesen ist, von den großen nationalen Interessen durchsetzt, be=
lebt, begeistert zu sehen.
Vor dreißig Jahren war die deutsche Frage in allen Land=
tagen die erste. Jetzt ist es anders, jetzt sagt man dort: diese
Sache geht uns nicht mehr an. Ja, darauf ist unsere ganze
Einrichtung, unsre deutsche Verfassung nicht berechnet, sondern
auf das Ineinandergreifen aller amtlich berechtigten Faktoren im
nationalen und einheitlichen Sinne. Und wenn wir das nicht
erreichen, so fürchte ich, geht es rückwärts mit unserm National=
gefühl, und das kann unter Umständen bei wechselnder europä=
ischer Konstellation eine betrübende Sache sein.“
Erwähnenswert ist noch eine Bismarck'sche Äußerung in
den „Hamburger Nachrichten“ aus dem Jahre 1893 über das
Recht des Ministers eines deutschen Bundesstaates öffentlich
zu den einzelnen Fragen der Reichspolitik Stellung zu nehmen⁸⁶).
„In der Presse wird abfällig kritisiert, daß der herzoglich
anhaltische Minister von Köseritz bei der Eröffnung des
anhaltischen Landtages geäußert hat:
„Unser finanzielles Verhältnis zum Reiche weist, unter der
Wirkung der Handelsverträge und bei der andauernden Steige=
rung der Militärlast, in diesem Jahre eine nicht unerhebliche
Verschlechterung auf, und der gegenwärtige Zustand der Unsicher=
heit, sowohl in bezug auf die Befürchtung des Abschlusses weiterer,
unserer Landwirtschaft nachteiliger Handelsverträge, als auf das
Schicksal der schwebenden Militärvorlage im Reichstage, ist nicht
dazu angetan, eine demnächstige Verbesserung dieses Verhält=
nisses voraussehen zu lassen.“
Man findet, daß solche Äußerungen unzulässig und für die
Reichseinheit bedenklich seien. Die „Cons. Corr.„ bestreitet
dies mit Recht. Dem Minister eines deutschen Bundes=
staates darf das Recht, öffentlich seine Stellungnahme zu den
einzelnen Fragen in der Reichspolitik darzulegen, in keinem
⁸⁶) efr. „Hamburger Nachrichten“ v. 7. März 1893.