20
betreffe, so würde deren Organ im Bundesrat die Gelegenheit
haben, sich über dieselbe auszulassen.“ Kriegsminister Bronsart
v. Schellendorf bezeichnete den Richterschen Antrag als einen
Eingriff in die Kommandogewalt des Kaisers; wie überhaupt
einzelne Seiten des Hauses die Tendenz zeigten, dieses Kom=
mandorecht einzuschränken. Nachdem Richter dem Minister ge=
antwortet hatte, die Kommandogewalt habe ihre verfassungs=
mäßige Grenze an dem Geldbewilligungsrecht des Reichstags,
fuhr er fort: „das Schreiben des Reichskanzlers sei zwar der
Form nach an den Reichstag, in Wahrheit aber an den Kriegs=
minister adressiert, der dadurch erinnert werden sollte, daß der
Reichskanzler auch noch da sei, und daß im Reichstage nicht
Dinge als dem Willen des Kaisers entsprechend vorgetragen
werden sollten, für die er (der Reichskanzler) nicht als die dem
Reichstage allein verantwortliche Person die Verantwortung über=
nehmen wollte.“ Der Minister wies dem gegenüber die In=
sinuation entschieden zurück, als ob der Reichskanzler in seinem
Schreiben ihn habe zur Ordnung rufen wollen. „Da haben Sie
doch einen sehr falschen Begriff von der Stellung des Reichs=
kanzlers zu mir.“ Er stehe hier als Bundesbevollmächtigter und
vertrete die Interessen des preußischen Militärkontingents, und
darin werde er durch den Reichskanzler und dessen Verpflichtungen
in keiner Weise beeinträchtigt.
Daß zwischen dem Kriegsminister und Bismarck keine Ver=
schiedenheit in der Auffassung der schwebenden Frage herrschte,
bewies nachfolgender aus dem Auswärtigen Amt stammender
Artikel der „Provinzial=Correspondenz“:
Mit dem Ausspruch: die Fragen der Kommandogewalt sind
an der Stelle zu belassen, bei der sie ruhen, hat der Kriegs=
minister nicht nur den am 5. d. M. ⁸) angestellten Versuch der
Fortschrittspartei zur Durchlöcherung des § 43 des Reichs=
Militärgesetzes zurückgewiesen, sondern ein für alle Mal die
Schranke bezeichnet, welche dem Eindringen des parlamentarischen
⁸) 5. April 1883.