Full text: Bismarcks Staatsrecht.

276 
  
Alle gemeinschaftlichen Angelegenheiten dürfen nur durch die 
Behörden des Reichs erledigt werden. Dahin gehören vor allem 
alle Angelegenheiten der auswärtigen Politik. 
Mit Recht führt Laband aus: 
„Da das Reich allein Krieg erklären und Frieden schließen 
kann und der Kaiser den Oberfehl über die Machtmittel des 
Reiches (Heer und Marine) hat, so ist auch die gesamte aus= 
wärtige Politik, die hiervon untrennbar ist, für das ganze Reich 
notwendig eine einheitliche und eine für alle Bundesglieder ge= 
meinschaftliche Angelegenheit.“ Eine Einmischung des Einzel= 
staates in die Zuständigkeit des Reichs wird von Laband als 
unbefugte Kompetenzüberschreitung bezeichnet, die unter Umständen 
als Verletzung der verfassungsmäßigen Bundespflichten zu be= 
trachten und nach Art. 19 der Deutschen Reichsverfassung ⁹⁰) „im 
Wege der Exekution“ zu verhindern wäre. Mit Gesandten aus= 
wärtiger Staaten dürfe der Minister des Einzelstaates nur über 
die besonderen Angelegenheiten seines Landes und Hofes, dagegen 
über die gemeinsamen Angelegenheiten des Reiches nur mit 
Wissen und Willen des Kaisers und des Reichskanzlers Ver= 
handlungen pflegen. 
Es leuchtet aber ein, daß die Entscheidung, ob es sich um 
eine gemeinsame Angelegenheit des Reichs oder um die besondere 
Angelegenheit eines Einzelstaates handelt, mitunter schwierig sein 
kann. Geffcken nimmt an, daß in einzelnen Fällen ein deutscher 
Einzelstaat die diplomatischen Beziehungen zu einem auswärtigen 
Staat abbrechen könne, ohne daß ein gleiches vom Reich geschehe. 
Es ist tatsächlich vorgekommen, daß Rußland die Beziehungen 
mit Bremen aufhob, weil es für eine angebliche Beleidigung 
eines Russen nicht die Genugtuung erhielt, die die Regierung 
des Zarenreiches forderte. 
Bei diplomatischen Verhandlungen, die sogar bis zum Ab= 
  
⁹⁰) Art. 19 der „R. V.“ lautet: „Wenn Bundesmitglieder ihre verfassungs= 
mäßigen Bundespflichten nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution 
angehalten werden. Diese Exekution ist vom Bundesrate zu beschließen und vom 
Kaiser zu vollstrecken.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.