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Alle gemeinschaftlichen Angelegenheiten dürfen nur durch die
Behörden des Reichs erledigt werden. Dahin gehören vor allem
alle Angelegenheiten der auswärtigen Politik.
Mit Recht führt Laband aus:
„Da das Reich allein Krieg erklären und Frieden schließen
kann und der Kaiser den Oberfehl über die Machtmittel des
Reiches (Heer und Marine) hat, so ist auch die gesamte aus=
wärtige Politik, die hiervon untrennbar ist, für das ganze Reich
notwendig eine einheitliche und eine für alle Bundesglieder ge=
meinschaftliche Angelegenheit.“ Eine Einmischung des Einzel=
staates in die Zuständigkeit des Reichs wird von Laband als
unbefugte Kompetenzüberschreitung bezeichnet, die unter Umständen
als Verletzung der verfassungsmäßigen Bundespflichten zu be=
trachten und nach Art. 19 der Deutschen Reichsverfassung ⁹⁰) „im
Wege der Exekution“ zu verhindern wäre. Mit Gesandten aus=
wärtiger Staaten dürfe der Minister des Einzelstaates nur über
die besonderen Angelegenheiten seines Landes und Hofes, dagegen
über die gemeinsamen Angelegenheiten des Reiches nur mit
Wissen und Willen des Kaisers und des Reichskanzlers Ver=
handlungen pflegen.
Es leuchtet aber ein, daß die Entscheidung, ob es sich um
eine gemeinsame Angelegenheit des Reichs oder um die besondere
Angelegenheit eines Einzelstaates handelt, mitunter schwierig sein
kann. Geffcken nimmt an, daß in einzelnen Fällen ein deutscher
Einzelstaat die diplomatischen Beziehungen zu einem auswärtigen
Staat abbrechen könne, ohne daß ein gleiches vom Reich geschehe.
Es ist tatsächlich vorgekommen, daß Rußland die Beziehungen
mit Bremen aufhob, weil es für eine angebliche Beleidigung
eines Russen nicht die Genugtuung erhielt, die die Regierung
des Zarenreiches forderte.
Bei diplomatischen Verhandlungen, die sogar bis zum Ab=
⁹⁰) Art. 19 der „R. V.“ lautet: „Wenn Bundesmitglieder ihre verfassungs=
mäßigen Bundespflichten nicht erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution
angehalten werden. Diese Exekution ist vom Bundesrate zu beschließen und vom
Kaiser zu vollstrecken.“