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bruch der Beziehungen gedeihen können, ist aber nicht abzusehen,
ob nicht die Ehre des Staates auf eine Weise engagiert wird,
die andere als friedliche Schritte zur Folge haben muß. Für
den Einzelstaat hätte dann, ob er selbst angreifen will oder an=
gegriffen wird, das Reich einzutreten. Sind solche Konsequenzen
überhaupt denkbar, so erscheint es unerläßlich, daß die Verhand=
lungen von anfang an von den Behörden des Reiches geführt
werden. Das ist nötig im Interesse des Einzelstaates wie der
deutschen Nation.
Das Gesandtschaftsrecht der deutschen Einzelstaaten, soweit
es irgendwie über die persönlichen und gesellschaftlichen An=
gelegenheiten hinaus die politischen Ereignisse berührt, ist ein
Überbleibsel aus der Zeit der Zerrissenheit Deutschlands.
Zufolge der Bestimmung des Art. 11 der Reichsverfassung ⁹¹)
steht dem Deutschen Kaiser das Recht zu, das Reich völkerrecht=
lich zu vertreten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären und
Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden
Staaten einzugehen und Gesandte zu beglaubigen und zu
empfangen. Was das Gesandtschaftsrecht betrifft, und zwar so=
wohl das aktive als das passive, so vertritt der Kaiser in inter=
nationaler Beziehung das Reich ausschließlich und ist mithin
allein berechtigt, für das Reich einerseits die diplomatischen
Vertreter bei fremden Staaten zu ernennen und zu beglaubigen,
und andererseits solche Vertreter auswärtiger Staaten zu em=
pfangen. Infolgedessen hat das Präsidium des früheren Nord=
deutschen Bundes seit dem Beginn des Jahres 1868 von seinem
Rechte zur Ernennung und Beglaubigung von Bundesgesandten
Gebrauch gemacht, und es sind andererseits von den auswärtigen
Mächten deren bei dem preußischen Hofe beglaubigte Gesandte
zugleich als Gesandte bei dem Bunde ernannt und beglaubigt
worden. Zunächst wurden die bisherigen preußischen Gesandten
bei den außerdeutschen Staaten zugleich als Gesandte des da=
maligen Norddeutschen Bundes beglaubigt. Seit dem 1. Januar
⁹¹) efr. Anmerkung 93.