Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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ungemein starke Fesseln anlegte und welche, wie man jetzt auch 
wohl in Bayern davon überzeugt ist, entschieden nicht zum 
Heil des Landes diente. Vor zwei Jahren hat man eine voll= 
kommene neue Gesetzgebung in dieser Materie erlassen; diese 
sogenannte Sozialgesetzgebung ist eben erst eingeführt, ihre Re= 
sultate sind bisher günstig gewesen, und man trug in Bayern 
Bedenken, den Bestand und die Ergebnisse dieser eben erst ins 
Leben getretenen Gesetzgebung durch die Annahme der im Bunde 
erlassenen und in dem wichtigsten Teile im Bunde noch nicht 
einmal ausgeführten Gesetzgebung in Frage zu stellen. Es war 
dies ein Bedenken, welches sich unüberwindlich zeigte, und 
welches zu dem Ausschluß dieses Gegenstandes führte. 
Ich habe bisher eine Reihe mehr oder minder wesentlicher 
Änderungen der bestehenden Bundesverfassung zu erwähnen ge= 
habt; ich kann zum Schluß mit einer Befriedigung, welche, wie 
ich glaube, der Reichstag teilen wird, auf den letzten Artikel 
des Verfassungsentwurfes übergehen, auf den Artikel 80. 
Durch diesen Artikel sind eine sehr lange Reihe von Ge= 
setzen, in der Tat mit einer oder zwei Ausnahmen alle funda= 
mentalen und wichtigen Gesetze, die im Norddeutschen Bunde 
bestehen, in Württemberg, Baden und Süd=Hessen entweder sofort 
oder zu einem von vornherein bestimmten naheliegenden Termin 
einzuführen. Man hat es in den genannten Staaten gewagt, ohne 
auf Vorberatung in der inneren Gesetzgebung zu warten, den 
Sprung zu machen, der, wie unverkennbar ist, mit der Annahme 
einer großen Anzahl so tief einschneidender Gesetze verbunden ist. 
Ich glaube in der allgemeinen Diskussion mich auf diese 
Charakterisierung der vorliegenden Verträge beschränken zu 
müssen. Ich wiederhole: sie sind erwachsen auf dem Boden der 
Tatsachen, sie sind zustande gekommen, indem man sich die realen 
Verhältnisse vergegenwärtigte. Ich bitte, daß auch Sie sich bei 
Beurteilung der Vorlage auf diesen Standpunkt stellen und sich 
vergegenwärtigen, daß es Deutschland schon mehr als einmal 
nicht zum Segen gereicht hat, das Erreichbare dem Wünschens= 
werten zu opfern.“
	        
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