Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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große Bedeutung des Herrenhauses, die in ruhigen Zeiten 
kaum zur Erscheinung kommt, für politisch aufgeregte und un= 
ruhige Zeiten aber in ihrer ganzen Tragweite rein erhalten 
werden muß, daß es Widerstand zu leisten vermag in Wahrung 
der Gesamtinteressen des Staates und der Monarchie gegen das 
Überwallen einseitiger Strömungen in der Bevölkerung und in 
der zweiten Kammer. Dieser Widerstand ist auf die Dauer 
aussichtslos, wenn er von der Vertretung entgegengesetzter ein= 
seitiger Interessen ausgeübt wird; er ist wirksam und erfolgreich, 
wenn er von angesehenen Vertretern aller Berufsstände in Ver= 
fechtung der staatlichen Gesamtinteressen mit Nachdruck geltend 
gemacht wird. 
Die Zusammensetzung des Herrenhauses in der jetzigen Zeit 
trägt, wie wir jüngst nachgewiesen haben, den Stempel der ein= 
seitigsten Vertretung in hohem Grade. Unser Gelehrtentum, das 
den geistigen Aufschwung Deutschlands und Preußens der ganzen 
Welt gegenüber in hervorragendem Maße gefördert hat, ist im 
Herrenhause ganz unzulänglich vertreten; dasselbe gilt in gleichem 
Maße vom gediegenen deutschen Bürgertum, dem kräftigsten 
Rückgrat der preußischen Monarchie und des preußischen Staates; 
von den etwa 317 Mitgliedern sind nur 63 bürgerlich. Vom 
Handel und Gewerbe, die jährlich allein für 5 Milliarden Mark 
Waren aus Deutschland ins Ausland führen, also für die nationale 
Arbeit und den Volkswohlstand von der außerordentlichsten Be= 
deutung sind, ist neben dem Freiherrn v. Stumm neuerdings 
als zweites Mitglied nach den letzten Anregungen noch der Ge= 
heime Kommerzienrat Frentzel berufen. Kein Wunder daher, 
wenn die wichtigsten Fragen des Verkehrs, die Schaffung von 
neuen Schiffahrtskanälen, die Ermäßigung der Eisenbahnfrachten 
u. s. w., im Herrenhause endlose Schwierigkeiten finden. Wenn 
um so überwiegender der sogenannte befestigte Grundbesitz im 
Herrenhause seine Stimme geltend macht, so hatte das zur Zeit 
der Einsetzung des Herrenhauses eine gewisse in der Geschichte 
Preußens und der preußischen Monarchie wurzelnde Berechtigung. 
Heute ist das nicht mehr in dem Maße der Fall. Ein großer
	        
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