Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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ersten Grundlage das kluge Wort dient, welches die englische 
Aristokratie nach der großen Revolution, um ihre Herrschaft zu 
befestigen, erfunden hat: „Der König kann nicht Unrecht tun“. 
Dann kann der König aber garnichts tun, wenn er kein Unrecht 
tun kann; den König mundtot zu machen, den König als eine 
Waffe für die Erhaltung der Herrschaft der englischen Aristokratie 
zu ihrer Verfügung zu behalten, ihn zu sequestrieren, das ist der 
Sinn davon. In England hat sich diese Tradition entwickeln 
können, bei uns aber ist es nicht möglich; wir unterscheiden uns 
von England dadurch, daß wir eine geschriebene Verfassung 
haben, die ganz klar die Rechte des Königs und Kaisers in 
Deutschland und Preußen, in Bayern und Sachsen, in Württem= 
berg und in allen übrigen Staaten definiert, und daran allein 
habe ich mich zu halten. Danach muß ich erklären, daß ich auf 
dem Standpunkt durchaus nicht stehe, als ob der Kaiser im 
Deutschen Reiche nicht zu seinem Volke sprechen dürfte, nicht zur 
Nation. Daß ich mich mit meiner Namensunterschrift als ver= 
antwortlich einstelle, daß ich bereit bin, die Meinung, die der 
Kaiser ausspricht, zu vertreten, das ändert an der Tatsache gar= 
nichts, daß dies die berechtigte, verfassungsmäßige Äußerung des 
Kaisers ist. Es heißt in der Verfassung: der Kaiser macht An= 
ordnungen und Verfügungen, und in solchen besteht eben die 
Kaiserliche Politik im ganzen, und für diese habe ich die Ver= 
antwortlichkeit zu tragen und trage sie gern, weil meine Über= 
zeugungen mit der meines hohen Herrn durch langjähriges Zu= 
sammenleben und von Hause aus, schon vor dem vereinigten 
Landtag von 1847, wesentlich zusammenfielen. Es bedurfte für 
mich nicht einmal des Gefühls des Untertanen gegenüber seinem 
hundertjährig angestammten Herrscher, um mich dem kaiserlichen 
Gedanken zu beugen. Das Verhältnis ist durch die Verfassung 
das, daß die Politik des Kaisers nicht ins Leben treten kann, 
wenn der Kanzler nicht durch seine Kontrasignatur die Ver= 
antwortlichkeit dafür übernimmt. Wenn der Kaiser einen Kanzler 
hat, der das, was die kaiserliche Politik ist, nicht kontrasignieren 
will, so kann er ihn jeden Tag entlassen. Der Kaiser hat eine
	        
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