Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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seines Charakters als eines Souveränitätsrechtes nicht zulässig 
wären. Wir halten diese Behauptung nicht für richtig, und auch 
die meisten Verfassungen stehen auf einem dem Luederschen ent= 
gegengesetzten Standpunkt. So bestimmt die preußische Ver= 
fassung in Art. 49 ¹¹⁹), daß zu Gunsten eines wegen seiner Amts= 
handlungen verurteilten Ministers das Begnadigungsrecht nur 
auf Antrag der Kammer ausgeübt werden kann, von welcher die 
Anklage ausgegangen ist. So weit aber solche Schranken durch 
die Verfassungen nicht gezogen sind, ist das Staatsoberhaupt in 
der Ausübung des Begnadigungsrechtes durch nichts behindert. 
Entscheidend ist allein sein Wille. Ob, wann und wie der 
Souverän von diesem Rechte Gebrauch macht, liegt lediglich in 
seiner Hand. Ob ihm hierzu die Ausgleichung zwischen dem 
summum jus und der summa injuria oder die Rücksichten auf 
die Gesellschaft und den Staat bestimmen, darüber ist er nie= 
mand Rechenschaft schuldig. Das hat er allein mit sich und 
seinem Gewissen abzumachen. Wenn deshalb in einem Parla= 
mente die Anfrage gestellt werden sollte, nach welchen Gesichts= 
punkten im allgemeinen oder aus welchen Gründen in einem 
speziellen Falle Gnade geübt worden ist, so würde unseres Da= 
fürhaltens die Antwort sein müssen, daß das Begnadigungsrecht 
ein Souveränitätsrecht ist und seine Ausübung der parlamen= 
tarischen Kontrolle nicht untersteht. Daran ändert auch der Um= 
stand nichts, daß Begnadigungen als Regierungsakte zu ihrer 
Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers bedürfen und daß 
der Minister dadurch die Verantwortlichkeit für den Akt über= 
nimmt. Man könnte dem Minister doch nur die Verantwortlich= 
keit dafür auferlegen, daß der Begnadigungsakt sich innerhalb 
¹¹⁹) Art. 49 der „Verfassung für den preußischen Staat“ lautet: 
„Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung. 
Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Ministers 
kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von 
welcher die Anklage ausgegangen ist. 
Der König kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines 
besonderen Gesetzes niederschlagen.“
	        
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