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und durch Art. 43 der Verfassung ausgesprochene Unverletzbarkeit
der Person des Königs oder die Notwendigkeit verantwortlicher
Gegenzeichnung Meiner Regierungsakten die Natur selbständiger
Königlicher Entschließungen benommen hätte. Es ist die Aufgabe
Meiner Minister, Meine verfassungsmäßigen Rechte durch Ver=
wahrungen gegen Zweifel und Verdunkelungen zu vertreten;
das Gleiche erwarte Ich von allen Beamten, welche Mir den
Amtseid geleistet haben. Mir liegt es fern, die Freiheit der
Wahlen zu beeinträchtigen, aber für diejenigen Beamten, welche
mit der Ausführung Meiner Regierungsakte betraut sind und
deshalb ihres Dienstes nach dem Disziplinargesetze enthoben
werden können, erstreckt sich die durch den Diensteid beschworene
Pflicht auf Vertretung der Politik Meiner Regierung auch bei
den Wahlen. Die treue Erfüllung dieser Pflicht werde Ich mit
Dank erkennen und von allen Beamten erwarten, daß sie sich
in Hinblick auf ihren Eid der Treue von jeder Agitation gegen
Meine Regierung auch bei den Wahlen fernhalten.
Berlin, den 4. Januar 1882.
Wilhelm.
von Bismarck.
An das Staats=Ministerium.“
Amtlich wurde dieser Erlaß, wie folgt, erläutert: ¹²⁹)
„Das Wort des Königs an das Staatsministerium ist ein
vollkommen getreuer Ausfluß der preußischen Verfassungsurkunde;
es enthält keine Neuerung, wendet sich aber gegen Versuche,
Neuerungen herbeizuführen, über die zu Recht bestehende Ver=
fassung hinaus. An den bestehenden Verhältnissen nicht rütteln
zu lassen, ist auch heute noch der Wille des Monarchen wie vor
zwanzig Jahren, wo des Königs Majestät vom Thron herab die
Worte verkündete:
„Niemals kann Ich zulassen, daß die fortschreitende Ent=
faltung unseres inneren Staatslebens das Recht der Krone,
¹²⁹) efr. „Provinzial=Correspondenz“ vom 11. Januar 1882.
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