Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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werden sollen, bestimmt, daß danach die Vorlagen im Landtag 
und im Reichstag gemacht werden sollen, nach der eigenen Über= 
zeugung, und die Ausarbeitung, das Formale in der Sache, 
ist Sache der Minister. Nun können ja Minister abweichender 
Meinung sein, — dann findet ein Kompromiß statt; wie ich schon 
früher sagte, das konstitutionelle Leben besteht aus Kompro= 
missen, und ein König, der einen Minister nicht ohne weiteres 
entlassen will, räumt ihm wohl etwas ein, was er eigentlich 
lieber nicht gewollt hätte. Noch häufiger aber kommt es vor, 
daß die Minister für eine Arbeit oder eine Schrift, die ihrer 
Meinung nach aus einem Guß und richtig war, die Königliche 
Zustimmung nicht gewinnen können und sich dann fragen 
müssen: soll ich nun die ganze Sache fallen lassen? soll ich sie 
zu einer Kabinettsfrage machen, zurücktreten, oder es für das 
Vaterland und den Dienst nützlicher finden, dem Königlichen 
Willen Konzessionen zu machen? Der Königliche Wille ist und 
bleibt der allein entscheidende. Der wirkliche, faktische Minister= 
präsident in Preußen ist und bleibt Se. Majestät der König. 
Ich, der vor Ihnen steht, habe meinen Kollegen gar nichts zu 
befehlen, ich habe sie nur zu bitten und ihnen Briefe zu schreiben, 
die sie nicht immer überzeugen. Das ist sehr angreifend, und ich 
tue es deshald nicht immer, sondern wenn ich glaube, daß etwas 
geschehen muß, und ich kann es nicht durchsetzen, dann wende 
ich mich an den wirklichen Ministerpräsidenten, an Se. Majestät 
den König. Finde ich da keinen Anklang, so lasse ich die Sache 
fallen; finde ich ihn, so kommt ein Königlicher Befehl, es so und 
so zu machen, und dann geschieht's, oder es folgt eine Kabinetts= 
krisis, die sich dann ruhig vollzieht. 
Diese Regentenpflicht, die Freude an der Arbeit, wenn 
überhaupt eine Freude bei dem Regieren ist, wird nun von dem 
Könige von Preußen innerhalb der Schranken, welche die Ver= 
fassung gezogen hat, mit derselben Hingebung geübt, und er= 
fordert vielleicht noch eine größere Arbeit, weil die Schranken die 
Bewegung erschweren und der Raum, auf dem man sich bewegt, 
ein sehr viel engerer ist. Die Könige von Preußen waren im
	        
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