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kanzler ebenso berechtigt bin, den Reichsbeamten das mitzuteilen,
was ich für sie von Interesse oder Nutzen zu lesen halte. Die
Verfassung also ist klar. Sie haben selbst nichts beibringen
können, was dem widerspricht, und ich habe hier als preußischer
Bevollmächtigter im Namen des Königs zu erklären, daß
Se. Majestät der König sich seine verfassungsmäßigen Rechte
weder nehmen, noch verkümmern, noch sich selbst so hoch in die
Wolben schrauben läßt, daß er sie nicht ausüben könnte,
sondern daß der König entschlossen ist, in dem durch seine Vor=
fahren überkommenen und gewohnten, durch die Regentenpflicht
ihm vorgeschriebenen Wechselverkehr mit seinem Volke zu bleiben,
und daß ich als Minister entschlossen bin, dem Könige auch dabei
kämpfend zu dienen, aber als Diener und nicht als Vormund.“ —
„Fürst Bismarck hat vielleicht nie eine so erregte Rede ge=
halten“, sagt Liman ¹³⁸), „wie damals, da er das Kapitel vom
preußischen Königstum las! Mit flammenden Worten ver=
teidigte sich der große Staatsmann gegen die Unterstellung, daß
er sich mit der geheiligten Person des Monarchen decke und die
Majestät des Königs als Schild benutze. Diese Verdächtigung
mußte den alten Recken aufs tiefste empören, ihn, der gewohnt
war, in bewährter Lehns= und Vasallentreue selbst Schild zu
sein, seinem Könige und Herrn.“ — —
In hohem Maße interessant ist es aber, daß die damalige
Rede des Fürsten Bismarck von der Notwendigkeit, daß der
Kaiser und König in Aufrechterhaltung hohenzollernscher Tradi=
tion in intimster Verbindung mit seinem Volke bleiben müsse,
direkt auf die Eigenart unseres gegenwärtigen Kaiserlichen Herrn
prophetisch bezugzunehmen scheint.
¹³⁸) efr. Dr. Paul Liman, Bismarck=Denkwürdigkeiten, Berlin bei
A. de Grousilliers 1899, pag. 271.