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Reichskanzlers und des Ministerpräsidenten, sondern auch das
des preußischen Staatsministeriums zu den Unterlagen gehörte,
welche dem Könige für die Allerhöchste Entschließung über die
Genehmigung der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes zu unter=
breiten wären. . . .“
Im weiteren Verlauf dieser Ausführung wurden überhaupt
Bedenken gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von „Prä=
sidialvorlagen“ geltend gemacht, weil „Präsidialanträge im
engeren Sinne, die der Reichskanzler als solcher ohne Rücksicht
auf seine Eigenschaft als preußischer Bevollmächtigter stellen
könnte, in keinem Artikel der Reichsverfassung eine Unterlage
finden.“ Letzteres ist richtig ¹²); aber aus der tatsächlichen Ent=
wickelung einer Reichsregierung hat sich auch als Konsequenz
die Einbringung von Vorlagen derselben ergeben. In den
„Hamb. Nachr.“ wurde dann auch wenigstens eine Unter=
scheidung gemacht:
„Ihre (der Präsidialvorlagen) Berechtigung ist praktisch
nicht anfechtbar, wenn sie sich ausschließlich auf die Fortent=
wickelung und auf zweifellose Konsequenzen der bestehenden
Einrichtungen und Gesetze beziehen; sie können dann als eine
natürliche Konsequenz der „Geschäftsleitung“ angesehen werden,
die dem Vorsitzenden im Bundesrate, dem Reichskanzler nach
Art. 15 der Reichsverfassung zusteht.¹³) Eingreifende neue Gesetze
würden aber unserer Ansicht nach durch Präsidialvorlage nicht
eingebracht werden können, und wurden es früher nicht. Nach
Art. 7 der Reichsverfassung ist „jedes Bundesglied befugt, Vor=
schläge zu machen und in Vorschlag zu bringen.“ Bundesglied
aber ist nicht der Kaiser, sondern Preußen, und bei den durch
den preußischen Bevollmächtigten zum Bundesrate, gleichviel, ob
¹²) efr. „National=Ztg.“ vom 11. 10. 92.
¹³) Art. 15 der „R. V.“ lautet:
„Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte steht dem
Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.
Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrates
vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.“