Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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überall die hinreichende sachliche und vielseitige Vorbereitung 
gehabt hatten. Die Regierung glaubt ja nicht alles zu ver= 
stehen. Wenn man so lange, wie ich, in ihr tätig gewesen ist, 
so drängt sich einem mit der Zeit die Überzeugung auf, daß die 
Art, wie Gesetzentwürfe entstehen, eine mangelhafte ist, weil den 
Regierungsorganen und Ministerien bei der Überlastung mit 
Arbeiten, die aus der alljährlichen Konkurrenz der parlamen= 
tarischen und der administrativen Aufgaben entstehen, die Zeit 
zu genauer Selbstprüfung nicht übrig bleibt, — und außerdem, 
wenn sie die Zeit dazu hätten, so haben sie nicht immer alle 
Kenntnisse. Es hat das zur Folge, daß die Gesetzesvorlagen 
sehr häufig nichts anderes sind, als das Ergebnis der Über= 
zeugung eines einzelnen vortragenden Rats, der gerade das 
Departement unter sich hat, es vorzugsweise pflegt, es wahr= 
scheinlich auch versteht, aber doch einseitig, vom grünen Tische 
aus, auffaßt, weil er mit den Arbeiten des praktischen Lebens 
als Ministerialrat nicht die notwendigen Beziehungen hat. Wir 
glauben im Staatsministerium nicht, daß uns über alle Fragen, 
die vorkommen können, die Sicherheit des Urteils angeboren ist; 
wir haben das Bedürfnis, uns zu informieren, und ich möchte 
doch glauben, die parlamentarischen Versammlungen sollten 
dieses Bedürfnis auch einigermaßen haben. 
Es ist der Regierungen Wunsch, der Ihnen heute wieder 
von uns entgegengebracht wird und der so dringend auf unseren 
Ministern lastet, daß er Ihnen in jeder Session wieder entgegen= 
treten wird. Daß Sie uns die Mittel versagen, Ihnen sorg= 
fältig allseitig geprüfte Vorlagen zu bringen, ist in der Tat eine 
außerordentliche Härte und eine Hemmung der Staatsmaschine, 
und des einen Gliedes der Gesetzgebung, welches mit Ihnen 
zusammen arbeiten soll. Sie sollten uns helfen, uns aufzuklären; 
Sie sollten mit Freuden das Bekenntnis der Regierung ergreifen, 
daß die Regierung nicht allwissend ist und nicht in bureau= 
kratischer Allmacht vom beschränkten Untertanenverstand — wie 
dies früher geschehen sein soll — spricht, sondern sich an diesen 
Untertanenverstand vertrauensvoll wendet. Dieses Vertrauen
	        
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