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Formel durch die Gesetzgebung gegeben werde, kraft welcher sie
im stande ist, ein ihr von der Verfassung zugesprochenes staat=
liches Recht auszuüben, ein Recht, ohne dessen Ausübung in
einem gewissen mäßigen Grade die Staatsregierung nicht glaubt,
die Verantwortung für die Sicherheit unserer staatlichen Fort=
entwicklung, die Verantwortung für die Erfüllung ihrer Auf=
gaben übernehmen zu können, von so verschiedenen Seiten be=
kämpft wird.
Es könnte das allgemeine Interesse in dem Maße nicht in
Anspruch genommen werden, wie die Zahl der Petitionen be=
weist — mögen sie zu stande gekommen sein, wie sie wollen —
wenn nicht die Frage in einen eigentümlichen Zustand der po=
litischen Atmosphäre unseres Staatslebens gefallen wäre, nämlich
in den einer bereits vorhandenen konfessionellen Spannung.
Wie kommt es eigentlich, daß wir seit einem Jahre in einem
unbehaglichen kampfartigen Zustande uns gegenseitig befinden,
während die meisten von Ihnen bis kurz vorher noch das Be=
friedigende der Zustände der katholischen Kirche in Preußen nicht
genug rühmen konnten? und ich glaube, Sie hätten noch heute
recht, dasselbe mit Dank zu der preußischen Regierung zu
sagen, die jeder Konfession eine Freiheit der Bewegung gibt,
von der Sie sehr vollständigen Gebrauch machen. Wie ist das
gekommen?
Ich habe neulich mein Erstaunen darüber ausgesprochen,
daß sich auf einem rein politischen Gebiete eine konfessionelle
Fraktion gebildet habe. Indessen ich würde es doch noch als
einen Vorteil betrachten, wenn diese Fraktion wirklich eine ganz
rein konfessionelle geblieben wäre, wenn sie nicht versetzt worden
wäre mit anderen Bestrebungen, wenn sie sich nicht belastet hätte
mit der Prozeßführung für Elemente und Bestrebungen, die der
friedlichen Aufgabe, die jede Kirche hat, eigentlich vollständig
fremd sind.
Zu den Aufgaben der katholischen wie jeder christlichen Kirche
gehört die Pflege des Friedens und eines gesicherten Rechts=
zustandes des Landes, wo sie besteht; das bestreiten Sie auch