Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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„Maigesetze“ erhielten. ¹⁶⁰) Der Artikel 15 in der Verfassungs= 
urkunde vom 31. Januar 1850 wurde zuvor aufgehoben. Derselbe 
lautete ursprünglich: 
„Die evangelische und die römisch=katholische Kirche, sowie 
jede andere Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre An= 
gelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für 
ihren Kultus, Unterrichts= und Wohltätigkeitszwecke bestimmten 
Anstalten, Stiftungen und Fonds.“ 
¹⁶⁰) Die Maigesetze hatten folgenden wesentlichen Inhalt: 
I. Das Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. 
Allgemeine Bestimmung. Ein geistliches Amt (gleichviel ob dauernd oder 
widerruflich) darf in einer der christlichen Kirchen nur einem Deutschen über= 
tragen werden, welcher seine wissenschaftliche Vorbildung nach den Vorschriften 
dieses Gesetzes dargetan hat und gegen dessen Anstellung kein Einspruch von der 
Staatsregierung erhoben worden ist. 
Vorbildung zum geistlichen Amte. Zur Bekleidung eines geistlichen 
Amtes ist die Ablegung der Entlassungsprüfung auf einem deutschen Gymna= 
sium, die Zurücklegung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer 
deutschen Staatsuniversität, sowie die Ablegung einer wissenschaftlichen Staats= 
prüfung erforderlich. 
Das theologische Studium kann in den bei Verkündigung dieses Gesetzes 
in Preußen bestehenden, zur wissenschaftlichen Vorbildung der Theologen be= 
stimmten kirchlichen Seminaren zurückgelegt werden, wenn der Minister der 
geistlichen Angelegenheiten anerkennt, daß dieses Studium das Universitäts= 
studium zu ersetzen geeignet sei. 
Die Anerkennung seitens des Ministers darf nicht verweigert werden, wenn 
die Einrichtung der Anstalt den Bestimmungen dieses Gesetzes entspricht und 
der Minister der geistlichen Angelegenheiten den Lehrplan derselben genehmigt. 
Während des vorgeschriebenen Universitätsstudiums dürfen die Studierenden 
einem kirchlichen Seminare nicht angehören. 
Die Staatsprüfung hat nach zurückgelegtem theologischen Studium statt. 
Sie ist öffentlich und wird darauf gerichtet, ob der Kandidat sich die für seinen 
Beruf erforderliche allgemeine wissenschaftliche Bildung, insbesondere auf dem Ge= 
biete der Philosophie, der Geschichte und der deutschen Literatur erworben habe. 
Alle kirchlichen Anstalten, welche der Vorbildung der Geistlichen dienen 
(Knabenseminare, Klerikalseminare, Prediger= und Priesterseminare, Konvikte 2c.), 
stehen unter Aufsicht des Staates. 
An diesen Anstalten darf als Lehrer oder zur Wahrnehmung der Disziplin 
nur ein Deutscher angestellt werden, welcher seine wissenschaftliche Befähigung 
nach obiger Vorschrist dargetan hat und gegen dessen Anstellung kein Einspruch 
von der Staatsregierung erhoben worden ist. 
Werden die erwähnten Vorschriften oder die getroffenen Anordnungen der
	        
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