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im Bundesrat überstimmt wird, den Beschluß der Majorität zu
vollziehen. Das kann nur dem verkehrt erscheinen, der den
Geist unserer nun einmal infolge der deutschen Geschichte ver=
wickelten Institutionen nicht begreifen will. Solche Konflikte
zwischen Kaiser und König, die nur ausgetragen werden können,
wenn der preußische Partikularismus und der Reichs=Universa=
lismus sich frei gegen einander aussprechen, sind sehr wohl
denkbar. Der Gedanke, jede kaiserliche Aktion von dem preußi=
schen Staatsministerium abhängig zu machen, ist ebenso rechts=
widrig der Wirkung nach, als verfassungswidrig dem Reichs=
recht nach.“
Das wäre ein von Preußen losgelöstes, mit dem preußi=
schen Staate unter Umständen in Konkurrenz und Konuflikt ge=
dachtes, theoretisches Kaisertum. Die Bismarck'sche Betrachtung
schließt mit den Sätzen:
„Es erfüllt uns mit Besorgnis, wenn die Inspirationen der
offiziösen Presse, die doch mit maßgebenden Kreisen Berührung
haben müsse, dahin ausfallen, daß unser preußisch=deutsches Ge=
meinwesen als ein zwiespältiges angesehen werden soll, lediglich
verbunden durch eine Personalunion, wie etwa Österreich=Ungarn,
oder Schweden und Norwegen, aber mit der Möglichkeit diver=
gierender Verantwortlichkeiten verschiedener ministerieller Potenzen
für denselben gemeinsamen Monarchen. Will man das Reich
schädigen, so kann das unter anderem auch durch Verstärkung
der Preußen und das Reich von einander trennenden Elemente
und Begriffe recht wirksam geschehen.“
Das Staatsministerium hat die Aufgabe, die Instruktion
für den Stimmführer Preußens im Bundesrate auszuarbeiten.
Auch wenn der Entwurf als Präsidialvorlage an den Bundes=
rat kommt, so steht doch fest, daß das Präsidium nur ein Recht
der Krone Preußen, eine Präsidialvorlage, also eine unter Ver=
antwortlichkeit des preußischen Staatsministeriums ergehende
Vorlage Preußens an den Bundesrat ist und bleibt. Das
Staatsministerium wird aber die Instruktion kaum anfertigen
können, wenn es materiell mit dem Entwurf garnicht befaßt,