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Ziel, welches der päpstlichen Gewalt, wie den Franzosen die
Rheingrenze, ununterbrochen vorschwebte, das Programm, das zur
Zeit der mittelalterlichen Kaiser seiner Verwirklichung nahe war,
ist die Unterwerfung der weltlichen Gewalt unter die geistliche.
Der Kampf des Priestertums mit dem Königtum, der Kampf,
in diesem Falle, des Papstes mit dem Deutschen Kaiser, wie wir
ihn schon im Mittelalter gesehen haben, ist zu beurteilen, wie jeder
andere Kampf; er hat seine Bündnisse, er hat seine Friedens=
schlüsse, er hat seine Haltepunkte, er hat seine Waffenstillstände.
Es hat friedliche Päpste gegeben. Es ist nicht immer der Fall
gewesen, daß gerade katholische Mächte die Bundesgenossen aus=
schließlich des Papstes gewesen wären; auch haben die Priester
nicht immer auf seiten des Papstes gestanden. Wir haben Kar=
dinäle als Minister von Großmächten gehabt zu einer Zeit, wo
diese Großmächte eine stark antipäpstliche Politik bis zur Gewalt=
tat durchführten. Sie haben Bischöfe gegen päpstliche Interessen
in dem Heerbann der deutschen Kaiser gefunden.
Also dieser Machtstreit unterliegt denselben Bedingungen,
wie jeder andere politische Kampf; indessen ist es eine Verschiebung
der Frage, die auf den Eindruck auf urteilslose Leute berechnet
ist, wenn man sie darstellt, als ob es sich um Bedrückung der
Kirche handelte. Es handelt sich um Verteidigung des Staates,
es handelt sich um die Abgrenzung, wie weit soll die Priester=
schaft, und wie weit die Königsherrschaft gehen soll, und diese
Abgrenzung muß so gefunden werden, daß der Staat seinerseits
dabei bestehen kann. Denn in dem Reiche dieser Welt hat er
das Regiment und den Vortritt ¹⁶¹) . . . .
. . . . Es hat vielleicht kaum einen Moment gegeben, wo man,
abgesehen von allem übrigen — wenn die Regierung nicht ange=
griffen worden wäre — zu einer Verständigung mit dem römischen
Stuhl geneigter war, als gerade am Schlusse des französischen
Krieges. Es sind darüber im anderen Hause Unwahrheiten mit
ziemlicher Entschlossenheit und gänzlicher Sachunkunde behauptet
¹⁶¹) Es folgen an dieser Stelle sodann die bereits auf Seite 404 und 405
wiedergegebenen Äußerungen.