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zertrümmert den Staat, gut, mir soll es recht sein, wenn ich nur
meinen Willen habe.
Wenn der Herr Vorredner dann an den prägnanten Schluß=
satz einer alten Rede erinnert — ich habe sie lange nicht ge=
lesen; aber als sie vorhin verlesen wurde, habe ich sie wirklich
mit einiger Befriedigung angehört; ich glaube, sie war oratorisch
nicht übel, aber welches auch der Inhalt sein mag, so kann ich
doch unmöglich, wenn ich als evangelischer Christ von „der
Kirche“ sprach, im Jahre 1849 die katholische Kirche nach den
heutigen vatikanischen Bestimmungen als den Fels betrachtet
haben, den ich dort als unter allen Stürmen feststehend bezeich=
nete. Jedenfalls wird man annehmen müssen, da ich meine
evangelische Überzeugung immer fest, durchsichtig und offen aus=
gesprochen habe, daß ich damals nur an die evangelische Kirche
habe denken können, keineswegs an die römisch=katholische, noch
weniger an die vatikanische, wie sie sich heute gestaltet hat.
Meine persönliche Stellung zu der heutigen Lage der Frage
der Zivilehe ist die, daß ich mich allerdings nicht bereitwillig,
sondern ungern und nach großem Kampfe entschlossen habe, in
Gemeinschaft mit meinen Kollegen bei Sr. Majestät den Antrag
auf Vollziehung dieser Vorlage zu stellen und mich entschlossen
habe, mit ihnen dafür einzustehen. Ich habe hier nicht Dogmatik
zu treiben, ich habe Politik zu treiben. Aus dem Gesichtspunkte
der Politik habe ich mich überzeugt, daß der Staat in der Lage,
in welche das revolutionäre Verhalten der katholischen Bischöfe
den Staat gebracht hat, durch das Gebot der Notwehr gezwungen
ist, das Gesetz zu erlassen, um die Schäden von einem Teil der
Untertanen Sr. Majestät abzuwenden, welche die Auflehnung
der Bischöfe gegenüber dem Gesetze und dem Staate über diesen
Teil der Königlichen Untertanen verhängt hat, und um von
seiner Seite, soviel an ihm liegt und soviel der Staat vermag,
seine Pflicht zu tun. Es ist ja ein Zugeständnis, das der Staat
dadurch machen wird, daß er dieses Gesetz gibt, indem er damit
Konflikten ausweichen will, so lange es möglich ist. Es liegt ja
gewissermaßen ein Vorzug, wenigstens ein Halt, welcher Zeit