Full text: Bismarcks Staatsrecht.

440 
zertrümmert den Staat, gut, mir soll es recht sein, wenn ich nur 
meinen Willen habe. 
Wenn der Herr Vorredner dann an den prägnanten Schluß= 
satz einer alten Rede erinnert — ich habe sie lange nicht ge= 
lesen; aber als sie vorhin verlesen wurde, habe ich sie wirklich 
mit einiger Befriedigung angehört; ich glaube, sie war oratorisch 
nicht übel, aber welches auch der Inhalt sein mag, so kann ich 
doch unmöglich, wenn ich als evangelischer Christ von „der 
Kirche“ sprach, im Jahre 1849 die katholische Kirche nach den 
heutigen vatikanischen Bestimmungen als den Fels betrachtet 
haben, den ich dort als unter allen Stürmen feststehend bezeich= 
nete. Jedenfalls wird man annehmen müssen, da ich meine 
evangelische Überzeugung immer fest, durchsichtig und offen aus= 
gesprochen habe, daß ich damals nur an die evangelische Kirche 
habe denken können, keineswegs an die römisch=katholische, noch 
weniger an die vatikanische, wie sie sich heute gestaltet hat. 
Meine persönliche Stellung zu der heutigen Lage der Frage 
der Zivilehe ist die, daß ich mich allerdings nicht bereitwillig, 
sondern ungern und nach großem Kampfe entschlossen habe, in 
Gemeinschaft mit meinen Kollegen bei Sr. Majestät den Antrag 
auf Vollziehung dieser Vorlage zu stellen und mich entschlossen 
habe, mit ihnen dafür einzustehen. Ich habe hier nicht Dogmatik 
zu treiben, ich habe Politik zu treiben. Aus dem Gesichtspunkte 
der Politik habe ich mich überzeugt, daß der Staat in der Lage, 
in welche das revolutionäre Verhalten der katholischen Bischöfe 
den Staat gebracht hat, durch das Gebot der Notwehr gezwungen 
ist, das Gesetz zu erlassen, um die Schäden von einem Teil der 
Untertanen Sr. Majestät abzuwenden, welche die Auflehnung 
der Bischöfe gegenüber dem Gesetze und dem Staate über diesen 
Teil der Königlichen Untertanen verhängt hat, und um von 
seiner Seite, soviel an ihm liegt und soviel der Staat vermag, 
seine Pflicht zu tun. Es ist ja ein Zugeständnis, das der Staat 
dadurch machen wird, daß er dieses Gesetz gibt, indem er damit 
Konflikten ausweichen will, so lange es möglich ist. Es liegt ja 
gewissermaßen ein Vorzug, wenigstens ein Halt, welcher Zeit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.