443
Die Staatsregierung hat nach der kirchlichen Entwicklung dieses
Streites strenge Neutralität beobachtet und ist deshalb bei
allen bezüglichen Anordnungen folgerecht davon ausgegangen,
daß auch die Altkatholiken nach wie vor innerhalb der katholischen
Kirche stehen. Von diesem Gesichtspunkt aus ist insbesondere
auch die staatliche Anerkennung des altkatholischen Bischofs
Dr. Reinkens erfolgt. Dadurch sind sie freilich in die Lage ge=
setzt, demnächst auch für ordnungsmäßig gegründete Parochien
Geistliche zu erlangen, welche mit bürgerlicher Wirkung trauen
und gültige Zivilstandsakte vornehmen können. Allein die Grün=
dung solcher Parochien kann erst beginnen und nur allmählich er=
folgen, so daß noch immer zahlreiche Altkatholiken vorhanden sein
werden, in betreff deren es die Staatsregierung für ihre Pflicht
halten muß, die Beurkundung des Personenstandes sicher zu stellen
und ihnen eine Form der Eheschließung zu gewähren, welche sie
nicht zwingt, wider Überzeugung und Gewissen aus der katho=
lischen Kirche auszutreten.
Noch dringender, als die Verhältnisse der Altkatholiken, er=
fordert die zeitige Auflehnung des römisch=katholischen Klerus
gegen die Staatsgesetze und die Anordnungen der Staatsbehörden
ein Vorgehen im Wege der Gesetzgebung nach beiden angedeuteten
Richtungen. Die preußischen Bischöfe der römisch=katholischen
Kirche weigern den neuesten kirchlich=politischen Gesetzen den Ge=
horsam, und nehmen insbesondere Anstellungen von Geistlichen
ohne Berücksichtigung des dem Staate gewahrten Einspruchs=
rechtes vor. Indem diese den gesetzlichen Bestimmungen zuwider=
laufenden Übertragungen geistlicher Ämter nach der ausdrücklichen
Vorschrift als nicht geschehen gelten, entbehren alle Amtshand=
lungen, welche von gesetzwidrig angestellten Geistlichen vorge=
nommen werden, der rechtlichen Wirksamkeit. Zur Führung der
Kirchenbücher ist somit der gesetzwidrig angestellte Geistliche nicht
berechtigt; Eintragungen, die er vornimmt, und Auszüge, die er
daraus erteilt, haben keinen öffentlichen Glauben. Um den durch
ungültige Eintragungen entstehenden Verwirrungen vorzubeugen
und die fernere Erteilung glaubwürdiger Atteste zu ermöglichen,