Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Die Staatsregierung hat nach der kirchlichen Entwicklung dieses 
Streites strenge Neutralität beobachtet und ist deshalb bei 
allen bezüglichen Anordnungen folgerecht davon ausgegangen, 
daß auch die Altkatholiken nach wie vor innerhalb der katholischen 
Kirche stehen. Von diesem Gesichtspunkt aus ist insbesondere 
auch die staatliche Anerkennung des altkatholischen Bischofs 
Dr. Reinkens erfolgt. Dadurch sind sie freilich in die Lage ge= 
setzt, demnächst auch für ordnungsmäßig gegründete Parochien 
Geistliche zu erlangen, welche mit bürgerlicher Wirkung trauen 
und gültige Zivilstandsakte vornehmen können. Allein die Grün= 
dung solcher Parochien kann erst beginnen und nur allmählich er= 
folgen, so daß noch immer zahlreiche Altkatholiken vorhanden sein 
werden, in betreff deren es die Staatsregierung für ihre Pflicht 
halten muß, die Beurkundung des Personenstandes sicher zu stellen 
und ihnen eine Form der Eheschließung zu gewähren, welche sie 
nicht zwingt, wider Überzeugung und Gewissen aus der katho= 
lischen Kirche auszutreten. 
Noch dringender, als die Verhältnisse der Altkatholiken, er= 
fordert die zeitige Auflehnung des römisch=katholischen Klerus 
gegen die Staatsgesetze und die Anordnungen der Staatsbehörden 
ein Vorgehen im Wege der Gesetzgebung nach beiden angedeuteten 
Richtungen. Die preußischen Bischöfe der römisch=katholischen 
Kirche weigern den neuesten kirchlich=politischen Gesetzen den Ge= 
horsam, und nehmen insbesondere Anstellungen von Geistlichen 
ohne Berücksichtigung des dem Staate gewahrten Einspruchs= 
rechtes vor. Indem diese den gesetzlichen Bestimmungen zuwider= 
laufenden Übertragungen geistlicher Ämter nach der ausdrücklichen 
Vorschrift als nicht geschehen gelten, entbehren alle Amtshand= 
lungen, welche von gesetzwidrig angestellten Geistlichen vorge= 
nommen werden, der rechtlichen Wirksamkeit. Zur Führung der 
Kirchenbücher ist somit der gesetzwidrig angestellte Geistliche nicht 
berechtigt; Eintragungen, die er vornimmt, und Auszüge, die er 
daraus erteilt, haben keinen öffentlichen Glauben. Um den durch 
ungültige Eintragungen entstehenden Verwirrungen vorzubeugen 
und die fernere Erteilung glaubwürdiger Atteste zu ermöglichen,
	        
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