Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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der letztere nicht unterliegen darf, ist der Staat zur Aufrecht= 
haltung seiner Autorität genötigt, die der Kirche übertragene 
Macht zur Vermittlung der Eheschließung mit rechtlicher Wir= 
kung und zur Beurkundung des Personenstandes wieder an sich 
zu nehmen. 
Der Einwand, daß die obligatorische Zivilehe namentlich 
für die Bevölkerung der östlichen Provinzen eine Störung guter 
Sitte und Gewöhnung, und eine Beeinträchtigung des Bewußt= 
seins von der sittlichen Bedeutung der Ehe enthalte, daß der 
Staat an der Erhaltung dieses Bandes zwischen den Nuptu= 
rienten und ihrer Kirche ein eigenes hohes Interesse habe und wohl 
tue, dasselbe zu erhalten, — ist allerdings von großem Gewicht. 
Der Staat muß in der Tat dringend wünschen, daß wo= 
möglich jeder, der in die rechtliche Gemeinschaft der Ehe ein= 
tritt, diese Gemeinschaft auch mit dem sittlichen Geiste und der 
ernsten Weihe erfülle, für welche die religiöse Handlung und die 
mit derselben verbundenen Segnungen Ausdruck und Quelle 
bilden sollen. Allein die geistigen Güter, welche mit der kirch= 
lichen Trauung verbunden sind, können doch in der Tat nur 
dann wahrhaft wirksam sein, wenn sie aus dem Bedürfnis des 
Herzens heraus gesucht und ersehnt werden. Außerdem darf 
hervorgehoben werden, wie aus den Ländern, wo die obligatorische 
Zivilehe bereits besteht, vielfach als unzweifelhaft bezeugt wird, 
daß dieselbe nirgends eine Entfremdung gegen die Kirche be= 
fördert, sondern eben nur, daß sie da, wo eine solche schon vor= 
handen war, im Fall der Unterlassung der nachträglichen reli= 
giösen Handlung diese Entfremdung zum Ausdruck gebracht habe. 
Wo aber die Entfremdung gegen die Kirche als die Ursache 
der unterbleibenden kirchlichen Trauung anzusehen ist, da wird 
diese Wirkung unbedenklich auch dann eintreten, wenn die Be= 
teiligten, wie bei der fakultativen Zivilehe, die Wahl haben 
zwischen der bürgerlichen und kirchlichen Eheschließung. Die Auf= 
gabe der Kirche wird es sein, ihrerseits in den auf diese Weise 
ihr als entfremdet sich darstellenden Mitgliedern das Bewußt= 
sein der Angehörigkeit zur Kirche neu zu wecken.
	        
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