Full text: Bismarcks Staatsrecht.

446 
Es wird sich nicht in Abrede stellen lassen, daß das Ver= 
halten der römisch=katholischen Bischöfe gegenüber der staatlichen 
Gesetzgebung jetzt die Einführung der obligatorischen Zivilehe 
aus praktischen Gründen gebieterisch erheischt. Durch das Ver= 
halten der gesetzwidrig angestellten Geistlichen wird ein großer 
Teil der katholischen Bevölkerung zur Eingehung ungültiger 
Ehen verleitet. Belehrungen und Warnungen seitens der staat= 
lichen Behörden haben keinen Schutz gegen die hierdurch herbei= 
geführten Übelstände gewährt, welche ganz geeignet sind, die 
sozialen Verhältnisse eines erheblichen Bruchteils der Bevölkerung 
in die größte Verwirrung zu stürzen. Dem kann nur dadurch 
vorgebeugt werden, daß das Gesetz die bürgerliche Gültigkeit 
der Ehe ausschließlich von der Vollziehung des bürgerlichen Akts 
abhängig macht und hiermit jede vor Vollziehung dieses Akts 
vorgenommene religiöse Einsegnung einer Ehe unter die Strafe 
des Reichsstrafgesetzbuchs stellt.“ 
Das Gesetz trat am 1. Oktober 1874 in Kraft. Seine 
Hauptbestimungen lauten: 
„Die Beurkundung der Geburten, Heiraten und Sterbefälle 
erfolgt ausschließlich durch die vom Staate bestellten Standes= 
beamten mittelst Eintragung in die dazu bestimmten Register. 
In den Stadtgemeinden sind die Geschäfte des Standes= 
beamten von dem Bürgermeister wahrzunehmen. Der Bürger= 
meister ist jedoch befugt, diese Geschäfte widerruflich einem Bei= 
geordneten oder einem sonstigen Mitgliede des Gemeindevor= 
standes zu übertragen. — Auch können die Gemeindebehörden 
die Anstellung eines besonderen Standesbeamten beschließen. 
In den Landgemeinden erfolgt die Abgrenzung der Standes= 
amtsbezirke und die Bestellung der Standesbeamten auf Vor= 
schlag des Kreisausschusses, und wo ein Kreisausschuß nicht be= 
steht, nach Anhörung der Gemeindebehörden durch den Ober= 
Präsidenten. 
Jeder Gemeindebeamte, insbesondere jeder Gemeindevor= 
steher (Bürgermeister 2c.) ist verpflichtet, für denjenigen Bezirk, 
zu welchem der Bezirk seines Hauptamtes gehört, das Amt eines
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.