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lassen. Wir wollen die Waffen auf dem Fechtboden niederlegen,
aber weggeben wollen wir sie nicht. Wir glauben, daß wir jetzt
Frieden erhalten werden, aber die Zeit kann schnell wieder da
sein, wo wir die Waffen brauchen.“
Gegen Virchow bemerkte Bismarck bei der Beratung des
ersten Friedensgesetzes im Jahre 1880:
„Der Herr Vorredner hat ja vollständig recht, wenn er sagt,
daß dieser Kampf, den er selbst den Kulturkampf genannt hat,
seine wesentliche politische Seite hat. Die römische Kirche ist von
jeher nicht bloß eine geistliche und kirchliche, sondern auch eine
politische Macht gewesen, und der Herr Vorredner hat uns dar=
über nichts neues gesagt, die wir unsere deutsche Geschichte tausend
Jahre rückwärts kennen. Das Papsttum ist, wie jede Kirche ge=
legentlich, eine sehr starke politische Macht gewesen. Rein kon=
fessionelle Kämpfe würde ich überhaupt nicht führen; wenn der
politische Beisatz, die Machtfrage nicht wäre, eine Machtfrage,
die auch in der vorchristlichen Zeit sich zwischen Königen und
Priestern kenntlich gemacht hat — wenn die nicht da wäre, würde
ich ja mit einer solchen Entschiedenheit in diesen Kampf nicht
eingetreten sein, da ich konfessionelle Stellungen nicht bekämpfe.
Der Herr Vorredner hat mir vorgeworfen und hat auch
darin wieder den üblichen Mangel an Konsequenz bei mir ent=
deckt, daß ich diesen Kampf nicht fortgesetzt hätte, daß ich ihn
eine Zeit hindurch mit Lebhaftigkeit betrieben und nachher fallen
gelassen hätte. Nun, jeder Kampf hat seine Höhe und seine
Hitze, aber kein Kampf im Innern zwischen Parteien und der
Regierung, kein Konflikt kann von mir als eine dauernde und
nützliche Institution behandelt werden. Ich muß Kämpfe führen,
aber doch nur zu dem Zweck, den Frieden zu erlangen; diese
Kämpfe können sehr heiß werden, das hängt nicht immer von
mir allein ab — aber mein Endziel ist dabei immer doch der
Friede. Wenn ich nun glaube, in der heutigen Zeit diesem
Frieden mit mehr Wahrscheinlichkeit näher zu kommen, als in
der Zeit, wo des Kampfes Hitze entbrannte, so ist es ja an sich
meine Pflicht, dem Frieden meine Aufmerksamkeit zuzuwenden