Full text: Bismarcks Staatsrecht.

454 
  
die ablehnende Haltung gegen Ketteler mit folgenden, seinen staats= 
männischen Scharfsinn prägnant kennzeichnenden Worten: „Für 
mich war die Richtung unserer Politik nicht durch ein konfessio= 
nelles Spiel bestimmt, sondern lediglich durch das Bestreben, die 
auf dem Schlachtfeld gewonnene Einheit möglichst dauerhaft zu 
festigen. Ich bin in konfessioneller Beziehung jederzeit tolerant 
gewesen bis zu den Grenzen, welche das Zusammenleben ver= 
schiedener Bekenntnisse in demselben staatlichen Organismus den 
Ansprüchen eines jeden Sonderglaubens zieht. Die therapeutische 
Behandlung der katholischen Kirche in einem weltlichen Staate 
ist aber dadurch erschwert, daß die katholische Kirche, wenn sie 
ihren theoretischen Beruf voll erfüllen will, über das kirchliche 
Gebiet hinaus den Anspruch auf Beteiligung an weltlicher Herr= 
schaft zu erheben hat, unter kirchlichen Formen eine politische 
Institution ist und auf ihre Mitarbeiter die eigene Überzeugung 
überträgt, daß ihre Freiheit in ihrer Herrschaft besteht umnd daß 
die Kirche überall, wo sie nicht herrscht, berechtigt ist, über dio= 
kletianische Verfolgung zu klagen.“ 
Über die ehemalige katholische Abteilung im Kultusministerium 
sagt Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen“: „Der 
Chef der katholischen Abteilung war damals Krätzig, der früher 
Radziwillscher Privatbeamter gewesen und dies im Staatsdienst 
auch wohl geblieben war .   . . Die katholische Abteilung des 
Kultusministeriums, ursprünglich gedacht als eine Einrichtung, 
vermöge deren katholische Preußen die Rechte ihres Staates in 
den Beziehungen zu Rom vertreten sollten, war durch den 
Wechsel der Mitglieder nach und nach zu einer Behörde ge= 
worden, die inmitten der preußischen Bureaukratie die römischen 
und polnischen Interessen gegen Preußen vertrat. Ich habe mehr 
als einmal dem Könige auseinandergesetzt, daß diese Abteilung 
schlimmer sei als ein Nuntius in Berlin. Sie handle nach An= 
weisungen, die sie aus Rom empfinge, vielleicht nicht immer vom 
Papst, und sei neuerdings hauptsächlich polnischen Einflüssen 
dienstbar geworden.“ In weiterem wird ein Nuntius in Berlin 
als das kleinere Übel deswegen erklärt, weil ein solcher die In=
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.