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teressen der katholischen Kirche, nicht aber die der Polen zu ver=
treten als seine Hauptaufgabe ansehen, aber nicht die intimen
Beziehungen der Bureankratie besitzen würde, welche die Mit=
glieder der katholischen Abteilung als „in der Garnison der
ministeriellen Zitadelle unseres Verteidigungssystems gegen revo=
lutionäre Anläufe sitzende staatsfeindliche Parteigänger“ erscheinen
ließen.
Über seinen Anteil am Kulturkampf sagt Fürst Bismarck
in demselben Werke:
„Auf die juristische Detailarbeit der Maigesetze würde ich
nie verfallen sein; sie lag mir ressortmäßig fern, und weder in
meiner Absicht, noch in meiner Befähigung lag es, Falk als
Juristen zu kontrollieren oder zu korrigieren. Ich konnte als
Ministerpräsident nicht gleichzeitig den Dienst des Kultusministers
tun, auch wenn ich vollkommen gesund gewesen wäre. Erst durch
die Praxis überzeugte ich mich, daß die juristischen Einzelheiten
psychologisch nicht richtig begriffen waren. Der Mißgriff wurde
mir klar an dem Bilde ehrlicher, aber ungeschickter preußischer
Gendarmen, die mit Sporen und Schleppsäbel hinter gewandten
und leichfüßigen Priestern durch Hintertüren und Schlafzimmer
nachsetzten.“
Wie wenig der Fürst aber deswegen den schließlich zu stande
gebrachten Frieden als eine Niederlage des Staates angesehen
hat, ergeben folgende Sätze: „Ich hielt umsomehr für angezeigt,
den Frieden anzubahnen, wenn die Schule gedeckt, die Ver=
fassung von den aufgehobenen Artikeln und der Staat von der
katholischen Abteilung befreit bliebe . . . Im Jahre 1886 gelang
es, die von mir teils erstrebte, teils als zulässig erkannte Gegen=
reformation zum Abschluß zu bringen, den modus vivend zu er=
reichen, der immer noch verglichen mit dem status quo von 1871
ein für den Staat günstiges Ergebnis des ganzen Kulturkampfes
aufweist.“
Am Schluß der Bismarckschen Auseinandersetzungen in den
„Gedanken und Erinnerungen“, erhält die römische Kirche das nach=
folgende Urteil: „Bei jedem modus vivendi wird Rom eine evan=