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standen erklärt. Es frage sich, wie nun vorzugehen sei, mittels
einer Deputation oder auf dem Petitionswege?
Hierauf erwiderte Fürst Bismarck: „Eine Deputation hätte
ihre Schwierigkeiten; der Zufall könnte ja wollen, daß der
Kaiser unwohl wäre und sie nicht empfangen könnte: dies würde
sofort die entgegengesetzte Strömung fördern. Der Petitionsweg
scheine angemessener; der letzte Beschluß des Landesausschusses biete
den richtigen Ausgangspunkt zu einer Petition. Die „Personal=
imion“ würde Sie bald zur Realunion mit Preußen führen,
was Sie nicht wollen, und was Preußen auch nicht will. Es
würde gehen wie mit Luxemburg. Die Elsaß=Lothringer werden
viel eher Deutsche werden wollen, als Preußen. Sie müssen ein
kleiner Staat werden; in einem solchen befinden Sie sich besser
als in einem großen wie Preußen, wo Sie unter den 25 Millionen
untergehen würden. Der Kronprinz ist ein zu ehrfurchtsvoller
Sohn, als daß er sich gegen väterliche Ansichten hätte aussprechen
können.“
Das Kronprinzenprojekt, so wird weiter erzählt, schien von
diesem Zeitpunkt an in den höchsten Berliner Kreisen festeren
Fuß zu fassen. Es wurde in mehreren Zeitungen berichtet, der
Kronprinz habe mit den Herren v. Roggenbach und Stauffenberg
des näheren darüber beraten. Man wollte wissen, daß diese
Herren oder einer von ihnen als Minister nach Elsaß=Lothringen
berufen werde. Anfang Mai wurde dem Abgeordneten Schneegans
durch Stauffenberg mitgeteilt, daß das „Kronprinzenland fertig
sei,“ als plötzlich die am 14. Mai und 2. Juni erfolgten Atten=
tate auf den Kaiser eine unerwartete Wendung herbeiführten;
denn am 6. Juni wurde der Kronprinz mit der Wahrnehmung
der Geschäfte und Stellvertretung des Kaisers betraut, und am
13. Juni wurde der Reichstag aufgelöst. Später, in einer Unter=
redung, welche Schneegans am 23. Februar 1879 mit dem
Fürsten Bismarck hatte, sagte der Reichskanzler: „Sie können
mich als Ihren Verbündeten ansehen. Das Projekt des Kron=
prinzenlandes hat bei dem Kaiser nunmehr noch weniger Aus=
sicht, da der bejahrte hohe Herr, zumal nach den Attentaten,