Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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daß diese Reichsämter zu der Bedeutung eines „technischen Be= 
ratungs= oder Ausführungsorganes“ zusammenschrumpfen könnten; 
denn sie sind verfassungsmäßig nichts weiter als das; der 
Reichskanzler ist dem Reichstage gegenüber der definitive Träger 
aller Ministerverantwortlichkeit. Aber auch er ist dies nur für 
die administrative Gebahrung der ihm untergebenen Reichsämter, 
keineswegs für Maßregeln der Gesetzgebung, in bezug auf welche 
er im Bundesrate nicht in seiner Eigenschaft als Reichskanzler, 
sondern nur in seiner Stellung als Führer der preußischen 
Stimmen seinen Einfluß geltend zu machen verfassungsmäßig 
im stande ist. 
Wie wenig die gegenwärtige Trennung des Reichskanzler= 
postens von dem des preußischen Ministerpräsidenten in der 
Reichsverfassung einen Anhalt findet, und bei Erlaß derselben 
als Zukunftsbild vorgeschwebt hat, tritt zu tage, wenn man sich 
klar macht, daß an der Spitze der preußischen Regierung und 
derjenigen Institutionen, die man neuerdings als „Reichsregie= 
rung“ zu bezeichnen liebt, dieselbe Allerhöchste Persönlichkeit steht. 
Was in Preußen geschicht auf Befehl des Königs, und was im 
Bereiche des Reichskanzlers geschieht, ist der Ausdruck des Willens 
derselben hohen Persönlichkeit mit dem Namen Kaiser. Wenn 
also offiziöse Zeitungen sich darin gefallen, die Übereinstimmung 
der preußischen Staatsregierung mit der „Reichsregierung“ als 
besondere Empfehlung für Maßregeln der letzteren hervorzuheben; 
wenn man, wie dies neulich im öffiziösen „Hamb. Corresp.“ ge= 
schah, glaubt, ausdrücklich konstatieren zu müssen, daß das Auf= 
treten des preußischen Handelsministers „auch“ von der „Reichs= 
regierung“ im vollen Umfange gebilligt werde; wenn man, wie 
dies ebenfalls im offiziösen „Hamb. Corresp.“ geschah, das 
preußische Staatsministerium für inkompetent hält, sich um die 
Versorgung der Hinterbliebenen der auf der „Brandenburg“ 
Verunglückten zu bekümmern, weil diese Fürsorge nicht zur Kom= 
petenz der preußischen Staatsbehörden stehe, sondern, wie alle 
Marineangelegenheiten, Reichssache sei: ja, dann fingiert man 
schon eine Scheidung zwischen der obersten Reichsbehörde und
	        
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