Full text: Bismarcks Staatsrecht.

Staatsministeriums auszusprechen, und er muß entweder der 
Zustimmung seiner preußischen Kollegen, wie das in den ein= 
facheren Dingen regelmäßig der Fall sein wird, ohne Rückfrage 
gewiß sein, oder muß mit einem Conclusum der Majorität des 
preußischen Staatsministeriums im Bundesrate sitzen, respektive 
dort mit den übrigen deutschen Regierungen in seiner Eigenschaft 
als preußischer Minister des Auswärtigen, d. h. für deutsche An= 
gelegenheiten, verhandeln. Wie kann man da von einer Reichs= 
regierung überhaupt reden? 
Als Träger derselben wird da, wo sich nicht wegen Fehlens 
des Gedankens ein Wort zur rechten Zeit einstellt, doch nur ein 
Reichskanzler gedacht werden können, ohne Hinzurechnung seiner 
ihm untergebenen Reichsverwaltungsämter. Die ganze legis= 
lative Bedeutung des Reichskanzlers steht und fällt aber mit 
seiner Eigenschaft als Mitglied des preußischen Staatsmini= 
steriums. Sobald er sich von diesem geschäftlich trennt, dessen 
Instruktionen weder kennt noch einholt, sondern dem Bundes= 
rate und den deutschen Regierungen selbständig als Reichskanzler 
gegenübertritt, ohne das preußische Staatsministerium hinter sich 
zu haben, verläßt er den Boden seiner verfassungsmäßigen Kom= 
petenz und würde, wenn ein Minister=Verantwortlichkeitsgesetz 
auch nur in Preußen bestände, nach Maßgabe desselben gericht= 
lich zur Verantwortung gezogen werden können. 
Die Beispiele, daß die „Reichsregierung“ „einhertritt auf 
der eigenen Spur“ als freie Tochter, nicht der Natur, sondern 
der eigenen staatsrechtlichen Auffassung, sind, wie wir gern ein= 
räumen, in den letzten Monaten schon seltener geworden. Wir 
haben den Eindruck, daß man im Schoße der „Reichsregierung“ 
doch die Verfassung genauer geprüft hat als früher, vielleicht 
auch Gelehrte über ihre Tragweite gehört hat; dafür wird in 
offiziösen Blättern um so öfter und mit gewissem Eifer festgestellt, 
daß über wichtige Materien der Reichsgesetzgebung das preußische 
Staatsministerium gehört worden sei. Ebenso ist Wert darauf 
gelegt worden, daß einzelne Mitglieder des preußischen Staats= 
ministeriums im Reichstage ihr Einverständnis mit ihrem Kollegen,
	        
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