Reichskanzler und Ministerpräsident.
Im Anfang des Jahres 1873 fand eine Änderung im
preußischen Staatsministerium statt, in der Hauptsache dahin, daß
Bismarck die Ministerpräsidentschaft aufgab, die an den Kriegs=
minister Grafen Roon überging. Bismarck blieb Minister der aus=
wärtigen Angelegenheiten und Reichskanzler. Daraufhin erbat
der Abg. Dr. Lasker am 25. Januar 1873 im Abgeordnetenhause
eine Erklärung darüber, welcher Art die Stellung des aus=
wärtigen Ministers gegenüber dem preußischen Ministerium sei.
Dies halbe Rätsel habe vielfach die Öeffentlichkeit beschäftigt; man
habe keine richtige Vorstellung davon, ob der Minister der aus=
wärtigen Angelegenheiten an der vollen Politik des preußischen
Ministeriums teilnehme oder nicht. Es wäre zu wünschen, daß
bei der Einführung des neuen Ministeriums die Versicherung
gegeben würde, der Politik des jetzigen Ministeriums werde die
ganze Energie des früheren Leiters nicht fehlen. Er richte des=
halb die Frage an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
ob die Auffassung richtig sei, daß die Stellung als Staatsminister
jedes Mitglied des Ministeriums verpflichte, an hohen Staats=
akten teilzunehmen, und daß alle Akte auch von jedem einzelnen
Staatsminister vertreten würden. Es würde ihm eine große
Genugtuung sein, wenn er vom Ministertisch vernähme, daß der
Beistand und die Energie des Reichskanzlers auch dem jetzigen
Ministerium nicht fehle.
Darauf erwiderte Fürst Bismarck:
„Der Herr Vorredner hat meiner Überzeugung nach voll=
kommen Recht, wenn er annimmt, daß jedes Mitglied des
Bismarcks Staatsrecht. 4