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und für Interessen, die einem am Herzen liegen, wie die eigenen,
aber die doch zugleich die Interessen von 25 oder 40 Millionen
sind; wen dies Gefühl der fortwährenden, angespannten Ver=
antwortlichkeit nicht angreift, der hat eben kein Pflichtgefühl und
kein Herz für sein Land. Wer dies hat, den wird es bis zu
einem gewissen Maße packen und verbrauchen.
Wenn ich also die Wahl getroffen habe, beim Einsehen der
Notwendigkeit, daß ich das preußische Ministerpräsidium los sein
wollte, so war es in dem Gefühl, daß in diesem Ressort die
Mittel, einen Einfluß zu üben, im allergrößten Mißverhältnis
mit der moralischen Verantwortlichkeit, welche die öffentliche
Meinung an die Stellung eines Ministerpräsidenten knüpft,
stehen, daß mir die größte Erleichterung zu teil wurde; — denn
ich glaube, weit über die Hälfte meiner Geschäfte kommen aus
diesem Ressort — und zugleich die geringste Einbuße an Einfluß.
Daß ich auf diesen Einfluß ganz verzichten wollte und
verzichten könnte, so lange ich die Ehre habe, Sr. Majestät des
Kaisers Reichskanzler zu sein, daran ist ja gar nicht zu denken.
Ich will gleich entwickeln, warum dazu eine Zusammengehörigkeit
zum preußischen Ministerium eigentlich gar kein absolut not=
wendiges Erfordernis sein würde. Meine äußere Stellung zum
preußischen Ministerium könnte noch mehr gelockert werden, als
sie es ist, die Geschäfte bleiben doch unzertrennlich. Der Reichs=
kanzler, wenn er die Hauptbedingung seiner Aufgabe überhaupt
erfüllen soll, muß derjenige Beamte sein, auf den Sr. Majestät
der Kaiser das höchste Vertrauen zu diesem Zwecke setzt. Hat
er das Vertrauen des Kaisers, so ist doch unmöglich anzunehmen,
daß Sr. Majestät der König von Preußen in dieser Eigenschaft
in seinem preußischen Ministerium eine Politik gestatten werde,
die dem als Reichskanzler mit dem kaiserlichen Vertrauen be=
ehrten Beamten die Wirksamkeit im Reich unmöglich machte.
Es kann der König von Preußen und sein Ministerium ganz
unmöglich gegen die Politik des Reichskanzlers eine Stellung
nehmen; es ist vielmehr eine gegebene Notwendigkeit, daß sie
unterstützt wird. Man könnte ja eher noch das Erfordernis auf=