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stellen, daß der Reichskanzler Mitglied des Ministeriums eines
anderen bedeutenden Bundesstaats sei; denn in Preußen ist der
Personalzusammenhang der Königlich preußischen und der Kaiser=
lichen Krone doch ohnehin gegeben und unzertrennbar.
Aber auch der Zusammenhang zwischen dem Reichskanzler
und dem preußischen Minister würde dadurch ja in keiner Weise
gestört werden, daß der erstere vollständig aufhört, Mitglied des
preußischen Ministeriums zu sein. Wie ist denn der Geschäfts=
betrieb im Bundesrat? Die Faktoren, welche den Haupteinfluß
auf die Vorbereitung der Vorlage für den Reichstag haben, sind
die Ausschüsse des Bundesrats. In jedem dieser Ausschüsse
hat, wenn Se. Majestät der Kaiser es nicht ausdrücklich anders
befiehlt, ein preußischer Minister, der betreffende Minister des
preußischen Ressorts, den Vorsitz, oder dieser Vorsitz wird aus=
geübt durch einen der höchsten Vertrauensbeamten des Mi=
nisteriums. In der Sitzung des Bundesrats findet sich wieder
das preußische Ministerium in seiner Majorität zusammen und
arbeitet dort und in seinen Ausschüssen unter Vorsitz des Reichs=
kanzlers mit den übrigen Ministern.
Die Bänder, die beide Organisationen aneinander befestigen,
sind also viel stärker, als man äußerlich anzunehmen pflegt.
Wenn der Reichskanzler also, um ernannt zu werden und um
in seinem Amte zu bleiben, notwendig das Vertrauen Sr. Majestät
des Kaisers haben muß, infolgedessen Sr. Majestät dem Könige
von Preußen und seinem Ministerium keine persona ingrata
sein wird, so hat der Reichskanzler nach der Verfassung außerdem
Mittel des Einflusses und der Macht, die die Frage, ob der
Zusammenhang notwendig ist und durch welche Mittel er gesucht
und befördert werden kann, dem preußischen Ministerium ebenso
nahe, ja fast noch näher legen, wie dem Reichskanzler.
Wenn der Reichskanzler sich des Vertrauens der Mehrheit der
Regierungen, die im Bundesrat vertreten sind, versichert, wenn er da=
bei das Vertrauen der Mehrheit des Reichstages zu gewinnen weiß
— und das wird für ihn ein ebenso notwendiges Bedürfnis sein,
da er nach der Verfassung derjenige Beamte ist, der den Vorsitz