Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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geltenden Bestimmungen in gemeinsamer Beratung aller Minister 
entschieden werden müssen. Alle Gesetzentwürfe z. B., die un= 
bedeutendsten ebenso wie die wichtigsten, müssen, nachdem sie von 
den Fachministern vorbereitet sind, erst noch vom Gesamtministe= 
rium, sei es nach allseitiger schriftlicher Äußerung, sei es in so= 
fortiger mündlicher Beratung, festgestellt werden, ehe sie dem 
König zur Genehmigung und Vollziehung unterbreitet werden 
dürfen. — Es gibt ferner eine große Anzahl von Verwaltungs= 
angelegenheiten, welche unter allen Umständen im vereinigten 
Staatsmisterium beraten werden müssen. Ebenso werden die 
Ernennungen zu den höheren Staatsämtern aus allen Ressorts 
zuvor zur Kenntnis und etwaigen Erwägung des Staatsministe= 
riums gebracht. Dasselbe ist ferner die höchste Instanz bei allen 
Untersuchungen gegen Verwaltungsbeamte wegen amtlicher Ver= 
gehen. Endlich sind dem Staatsministerium mehrere hohe Be= 
hörden, Staatskommissionen und Institute unmittelbar unterstellt. 
Alle diese mannigfachen Aufgaben, welche zwar für die Sicherung 
einer geordneten Staatsverwaltung unerläßlich, großenteils aber 
ohne höheres politisches Interesse sind, bilden für das Staats= 
ministerium und für die geschäftliche Oberleitung desselben eine 
solche Fülle von täglichen Arbeiten und Verpflichtungen, daß die 
regelmäßige Fürsorge für ihre Erledigung und die Teilnahme 
an der Verantwortlichkeit für dieselben nicht wohl vereinbar ist 
mit den umfassenden und erhabenen politischen Aufgaben, 
welche Fürst Bismarck für das deutsche Volk durchzuführen über= 
nommen hat. 
Wenn es deshalb geboten erschien, dem Reichskanzler die Ge= 
schäftslast und zugleich die allseitige Mitverantwortlichkeit des 
preußischen Minister=Präsidenten abzunehmen, so sollte ihm 
dagegen nicht zugleich die oberste geistige und politische 
Führerschaft des preußischen Ministeriums entzogen 
werden. 
Wenn Fürst Bismarck aufhört, das geschäftliche Präsidium 
des Staatsministeriums zu führen, und im preußischen Ministe= 
rium der äußeren Stellung nach und nur noch als  auswärtiger
	        
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