Full text: Bismarcks Staatsrecht.

66 
Vorsitzenden, und letzterer, ohnehin leidend und müde, verzweifelte 
schließlich an der Möglichkeit, gegen diese Verstimmung länger 
mit Erfolg anzukämpfen. Wenn man sich ein preußisches 
Ministerium denkt, das übereinstimmt und durch persönliches 
Wohlwollen unter sich verbunden ist, so halten wir den Beweis, 
daß die Trennung der Reichskanzlerschaft von dem preußischen 
Ministerpräsidium untunlich sei, für noch nicht geführt, und 
müssen der Erfahrung, die darüber bevorsteht, die Entscheidung 
des Streites anheimgeben. Nun liegt kein Grund vor, in dem 
jetzigen preußischen Ministerium mit dem Grafen Botho Eulenburg 
an der Spitze Uneinigkeiten vorauszusetzen, deren Beilegung dem 
geschäftskundigen und formgewandten Präsidenten nicht gelingen 
sollte. Er steht nach seiner ganzen Vergangenheit seinen Kollegen 
viel weniger fern, wie seinerzeit Graf Roon den hervorragenderen 
Mitgliedern des Kabinetts, und seine Höflichkeit verläßt ihn auch 
in erregten Diskussionen nicht. 
In den bisherigen Erörterungen über die Trennungsfrage 
wird, wie wir glauben, die Stellung des preußischen Ministers 
der auswärtigen Angelegenheiten unterschätzt. Dieser hat nicht 
nur die wenigen preußischen Diplomaten zu instruieren, sondern 
er ist auch der Ressortminister für die Beziehungen Preußens 
zum Reiche, sagen wir, für die „deutschen Angelegenheiten“, die 
im preußischen Staatsministerium verhandelt werden; gewiß für 
Preußen keine unwichtige Aufgabe. Dem preußischen Minister 
der auswärtigen Angelegenheiten steht die Instruktion der sieb= 
zehn preußischen Stimmen im Bundesrate ressortmäßig zu, und 
in Fällen, wo er der Zustimmung des Staatsministeriums ohne 
Rückfrage gewiß zu sein glaubt, kann er diese Instruktion auf 
eigene Verantwortung erteilen, und wenn er der Zustimmung 
des Gesamtministeriums zu bedürfen meint, so ist er selbst der 
vortragende Ressortminister für seine eigene Sache. Der aus= 
wärtige Minister Preußens, der nicht zugleich Reichskanzler 
wäre, könnte sogar diesem seine Instruktion für den Bundesrat 
zuschicken und ihm unter Umständen das Leben sehr schwer 
machen. Die Schwierigkeiten, die hier eintreten könnten, sind
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.