Full text: Bismarcks Staatsrecht.

daß und wie eine Anzahl leitender Männer sich in die Gewalten 
teilt. Auf der Tatsache, daß der Kaiser und König die Politik 
selbst leitet, beruht auch die Hoffnung, daß er seinerseits ein 
politisches Auseinandergehen des Reichskanzlers und des preußi= 
schen Ministerpräsidenten nicht dulden und verhindern wird, daß 
der Staatswagen aus dem Geleise kommt." 
Eine persönliche mündliche Äußerung zu dem angeschlagenen 
Thema liegt sodann noch aus dem Sommer 1893 vor, bei einer 
Rede, die der Fürst an die ihn besuchenden Thüringer hielt: 
„Ich bedauere in hohem Grade die Trennung des Reichs= 
kanzleramtes von dem preußischen Ministerpräsidium. Die Ämter 
der Verwaltungsbeamten des Reiches, von denen der Kanzler 
der erste ist, sind lediglich exekutive und entbehren auf dem 
Gebiete der Gesetzgebung der Berechtigung zur Mitwirkung. Ich 
habe mit Verwunderung gelesen, daß in Frankfurt der preußische 
und der bayerische Minister und andere unter dem Vorsitze des 
„Reichsschatzsekretärs“, eines Unterbeamten des preußischen Mi= 
nisters der auswärtigen Angelegenheiten in dessen Eigenschaft 
als Reichskanzler, getagt haben. Die Bedeutung des Reichs= 
kanzlers beruht auf seiner Stellung als preußischer Minister der 
auswärtigen Angelegenheiten, als welcher er die 17 preußischen 
Stimmen im Bundesrat zu instruieren berechtigt ist. Als 
Reichskanzler selbst ist er Vorgesetzter derjenigen Verwaltungen, 
die im Besitze des Reiches sind, als Post u. s. w. In der 
Gesetzgebung der Bundesländer hat er nicht weiter mitzuwirken, 
als die Vorlagen des Bundesrats an den Reichstag zu bringen. 
Aber innerhalb der Gesetzgebung hat weder Se. Majestät der 
Kaiser noch der Reichskanzler eine andere Tätigkeit zu entfalten, 
als die Publizierung der vom Bundesrat und Reichstag votierten 
Gesetze. Der Kaiser hat im Bundesrat keine Stimme, sondern 
nur der König von Preußen. Und deshalb ist es notwendig, 
daß im Bundesrat nichts vorgebracht werde, was nicht vorher 
die Zustimmung des preußischen Staatsministerinms gefunden 
hat. Alle an den Bundesrat gehenden Vorlagen des „Präsi= 
diums“ sind verfassungsmäßig vorher der Kritik des preußischen
	        
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