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bei entstehenden Streitigkeiten das erreichen müssen, was dieser
Artikel direkt und kurz ausspricht; ich glaube, daß man ohne
die Berechtigung, die der § 3 gibt, einen Kanzler, der dauernd
das Geschäft versehen will, schwerlich finden wird, und ich
möchte wohl wünschen, daß der Herr Abgeordnete Lasker ein=
mal eine kurze Zeit, auch nur zur Probe, als Kanzler fungierte,
um sich selbst davon zu überzeugen, daß die Gedanken, die er
sich darüber macht, doch außerhalb der praktischen Möglichkeit
mehr der Sphäre des Ideals angehören. Dem Herrn Abge=
ordneten scheint das Ideal vorzuschweben einer gewissen Zer=
fahrenheit der Exekutive, einer gewissen Anarchie, bei der jeder
im einzelnen Ressort tun und lassen kann, was er will. — Er
ist ein zu praktischer Kopf, um, wenn er dem Geschäft auch nur
acht Tage als Ministerpräsident vorstände, dabei zu bleiben; der
Gedanke — daß in Abwesenheit des Kanzlers oder des Minister=
präsidenten Zustände eintreten und Maßregeln zu treffen sind,
die mit der politischen Überzeugung, mit der ganzen Politik, die
er verfolgt, mit der ganzen Richtung in schneidendem Widerspruch
stehen, — der ist ganz absolut unmöglich; er würde auch die
Verantwortlichkeit des Premierministers, dessen Namen doch,
wenn irgend etwas im Ministerium schlecht geht, sehr leicht in
den Vordergrund gedrängt wird — ins Ungeheure schrauben.“—
Nach dem Stellvertretungsgesetz können die sämtlichen, dem
Reichskanzler übertragenen Obliegenheiten, einschließlich der ver=
antwortlichen Kontrasignatur kaiserlicher Anordnungen, im Falle
der Behinderung an Stellvertreter übertragen werden, jedoch
nicht an einen ständigen, sondern von Fall zu Fall. Diese
Stellvertretung kann in der Form der Ernennung eines General=
stellvertreters (Vizekanzlers) für den gesamten Umfang der Ge=
schäfte oder der Bestellung von Spezialstellvertretern für einzelne
Amtszweige erfolgen, indem die Vorstände der obersten Reichs=
behörden im vollen Umfang, oder für einen Teil der Geschäfte
mit der Stellvertretung des Reichskanzlers beauftragt werden,
jedoch nur für diejenigen Amtszweige, welche sich in der eigenen
und ummittelbaren Verwaltung des Reichs befinden. Die letztere