180 Das Staatsbürgerrecht.
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ständig ½ ist, d. i. unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, den Nachweis
der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, Ehefrauen des Ehemannes, zu erbringen
(Ges. v. 1. Nov. 1867, §. 2; jetzt Einf. G. zum B. G. B., Art. 37).
3. Die Ausnahmen von der Regel des §. 1 des Freizügigkeitsgesetzes v. 1. Nov.
1867 und die näheren Bestimmungen über die Begründung solcher Ausnahmen?, wie
über die Folgen, sind in den §§. 3—5 desselben enthalten.3 Bereits das Heimatsgesetz
v. 31. Dez. 1842 hatte — gleich dem Freizügigkeitsgesetze v. 1. Nov. 1867 — ins-
besondere auch den Zweck, die Ausnahmen von dem Grundsatze der Freizügigkeit gesetz-
lich festzustellen, um solchergestalt jeder willkürlichen Zurückweisung eines Niederlassungs-
gesuches entgegenzutreten. Die gesetzlichen Bedingungen der Niederlassung, also des
Rechtes der freien Wahl des Ortes, an welchem jemand die Ortsangehörigkeit erlangen
will, sind aber nur: a) die Reichsangehörigkeit, b) die Selbständigkeit, c) die Ernährungs-
fähigkeit, c) Wohnung und Unterkommen. Sind diese Bedingungen nachgewiesen.
muß das Niederlassungsgesuch bewilligt werden, sofern nicht eine der vom Gesetze auf-
gestellten Ausnahmen vorliegt. Deshalb ist es unstatthaft, einem Reichsangehörigen,
welcher die erwähnten Bedingungen dargetan hat, die nachgesuchte Niederlassung zu ver-
sagen, solange er nicht in die Kategorie der im §. 3 des Freizügigkeitsgesetzes auf-
geführten gerichtlich Bestraften fällt. Es ist insbesondere unzulässig, auf Niederlassungs-
gesuche neben den Vorschriften der gedachten Gesetze auch die Vorschriften der Gesetze
über die Fremdenpolizei zur Anwendung zu bringen und auf Grund dieser letzteren den
Petenten auszuweisen, ohne über seinen Niederlassungsantrag zu befinden, und dann
diesen Antrag nicht einzig und allein nach dem Gesetze v. 1. Nov. 1867 zu beurteilen,
sondern statt dessen die Aufenthaltsberechtigung von polizeilichem Ermessen abhängig zu
machen. Dadurch wütrde einer der wichtigsten Zwecke des Gesetzes illusorisch gemacht
werden, nämlich der, daß die Aufnahmeberechtigung keineswegs von dem administrativen
Gutbefinden der Polizeibehörde, sondern einzig und allein von dem Vorhandensein der
gesetzlichen Bedingungen und Beschränkungen abhängig gemacht werden soll. Die Aus-
nahmen beruhen teils auf Gründen des Kommunalinteresses der betreffenden Gemeinden
als solcher hinsichtlich der Armenpflege, teils auf allgemeinen polizeilichen Rücksichten
gegenüber dem Zuzug gemeingefährlicher Personen.“
a) Über die Fälle, wo aus allgemeinen polizeilichen Rücksichten der Aufenthalt
oder die Niederlassung versagt werden dürfen, trifft der §. 3 des Freizilgigkeitsgesetzes
v. 1. Nov. 1867 folgende Bestimmungen 5:
zusteht, über die Anerkennung des Freizügig-
keitsrechtes zu entscheiden; auch kann der Nach-
weis nur dann gefordert werden, wenn ein ge-
nügender Anlaß vorliegt, die auf Grund der
Reichsangehörigkeit in Anspruch genommenen
Rechte in Zweifel zu ziehen (vgl. Riedel,
O., Anm. 1, u. übereinstimmend S eydel,
O., S. 162).
1 Des Ausdruckes: „selbständig“ bediente sich
auch der §. 1 des Heimatogesenzes v. 31. Dez.
1842. Das Einf. G. zum B. G. B. gibt nun-
mehr die obige Fassung des Textes, die die Streit-
fragen, zu denen das Wort,selbständig“ Veran-
lassung gegeben hatte, ausschlient.
: Vgl. Rehm in Conrads
Bd. III, S. 674, sowie die oben
angef. Literatur.
* Die diesen Grundsäuen zuwiderlaufende
Praxis hat unter der Herrschaft des Heimate-
geseltes v. 31. Dez. 1812 zu mebrfachen, auch
bei den Kammern angebrachten 2V beschwerden Ver-
anlassung gegeben, infolge deren solche (tellweise)
dem Staatemin. zur Abhilfe überwiesen worden
sind. (Vgl. JI. B. Slenogr. Ber. der lI. K.
1850—51, Bd. 1I. S. 8#7 ff., S. 1312 ff., u.
Bd. IV, S. 828— 829; Stenogr. Ber. der II. K.
Handwörterb.,
" 170, N. 1
1851—52, Bd. 1, S. 166 ff., und der I. K.,
Bd. 1, S. 281 ff., Stenogr. Ber. der II. K. 1853—
54, Bd. I, S. 365 ff., und Druckf. derselben, Nr. 100,
S. 8— 11.) In späterer Zeit hat das Min. d. Inn.
auch diesen Grundsätzen Rechnung getragen, indem
dasselbe in dem Reskr. v. 5. Febr. 1859 (M. Bl.
d. i. Verw., S. 91, Nr. 65) ausgesprochen hat,
daß aus anderen Gründen, als den in §. 1 des
Heimategesetzes v. 31. Dez. 1842 gedachten,
namentlich aus solchen, die den Vorschriften der
Fremdenpolizei entlehnt sind (z. B. Mangel eines
Passes) die Niederlassung nicht versagt werden
darf. Vgl. das Restr. desselben Min. v. . Febr.
1859 . a. O., S. 91, Nr. 666). — Vgl. übrigens
5. 12 des Freizügigkeitegesenzes v. 1. Nov. 1867.
Auch der Mangel des durch das Zirk. Restkr. v.
241. Dez. 1833 (v. Kampt, Ann., Bd. XVII,
S. 1110) vorgeschriebenen Ausweises über die
Meillitärverhälmuisse rechtfertigt die Zurückweisung
der Niederlassungegesuches nicht (Reskr. d. Min. d.
Inn. v. 16. Nov. 191, M. Ml. d. i. Verw., S. 227).
* Auch in der Feststellung dieser beiden Grund-
säue beruht das Reichogesetz auf der preußischen
Geseugtbung von- 1212, s. dazu Gneist, bei
Stengel, . 1, 53.
* Die anzehhennen Gesichtepunkte hierüber f.