Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (§. 58.) 233 
zufolge des Art. VI des Gesetzes v. 28. April 18751, bei den Bestimmungen der 
Wasserlösungsordnung v. 22. Mai 18577 sein Bewenden. In denjenigen Landesteilen, 
für welche es an besondern gesetzlichen Vorschriften für die in Rede stehenden Angelegen- 
heiten fehlt, müssen die für solche Zwecke vorkommenden Enteignungen nach den Vor- 
schriften des Gesetzes v. 11. Juni 1874 beurteilt werden; in denjenigen Landesteilen 
aber, wo zwar Spezialgesetze über die betreffenden Materien vorhanden sind, in diesen 
aber hinsichtlich der Enteignungen auf die allgemeinen Expropriationsgesetze verwiesen 
wird, treten — nach §. 58 des Gesetzes v. 11. Juni 1874 — gleichfalls die Vor- 
schriften des letzteren in Wirkung. 
2. Bezüglich der Enteignungen, welche in Deichangelegenheiten vorkommen, gelangt 
das für den ganzen damaligen Umfang der Monarchie ergangene Gesetz über das Deich- 
wesen v. 28. Jan. 18483 zur Anwendung, welches im §. 20 bestimmt, daß die Eigen- 
tümer der zu einem Deichverbande gehörigen eingedeichten Grundstücke und Vorländer 
verpflichtet find, auf Anordnung der Deichbehörde dem Verbande den zu den Schutz- 
und Meliorationsanlagen erforderlichen Grund und Boden gegen Vergütung abzutreten, 
desgleichen die zu jenen Anlagen nötigen Materialien an Sand, Lehm, Rasen usw. gegen 
Ersatz des durch derselben Fortnahme ihnen entstandenen Schadens zu überlassen, und 
daß bei Festsetzung der Vergütung oder Entschädigung der ruirerhe h Wert nicht 
in Anrechnung zu bringen ist. Ein Gleiches findet (nach 8. 25) beim Einschreiten im 
Falle dringender Gefahr statt, welche Bestimmung jedoch nach §. 26) auf Deiche, die zu 
einem Deichverbande gehören, keine Anwendung findet. Durch das Gesetz v. 11. April 
1872“ ist demnächst das Gesetz v. 28. Jan. 1848 mit einigen nicht sehr erheblichen 
nderungen auf die Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover ausgedehnt worden?, 
jedoch findet dasselbe keine Anwendung auf die im Art. II desselben aufgeführten Ge- 
bietsteile, nämlich a) auf die schleswig-holsteinischen Marschdistrikte, insoweit das Patent 
v. 20. Jan. 1800 und das allgemeine Deichreglement v. 6. April 1803 Platz greifen: 
b) auf die Herzogtümer Bremen und Verden, soweit die Deichordnung v. 29. Juli 1743 
Anwendung findet; c) auf das Land Hadeln; 4 auf das Fürstentum Lüneburg und 
die zur Provinz Hannover gehörigen lauenburgischen Landesteile, soweit die lüneburgische 
Deich= und Sielordnung v. 15. April 1862, und e auf die Grafschaften Hoyer und 
Diepholz, soweit die Deich- und Abwässerungsordnung v. 22. Jan. 1864 Anwendung 
findet, oder demnächst in Anwendung gebracht werden wird; 1) auf das Fürstentum Ost. 
friesland, und g) auf den zum Herzogtum Arenberg= Meppen gehörenden Bezirk der 
Stadt Papenburg. In den zu a bis ! erwähnten Gebietsteilen sind — zufolge des 
Art. III des Gesetzes v. 11. April 1872 — die dort in Geltung befindlichen, auf das 
Deich= und Sielwesen bezüglichen Gesetze und Verordnungen, und die durch rechtsverbind- 
liches Herkommen feststehenden deich= und sielrechtlichen Normen bis zur Aupfhebung oder 
Abänderung derselben im verfassungsmäßigen Wege, insoweit nicht das Gesetz v. 11. April 
1872 in seinen Art. IV—VIII entgegensteht, aufrecht erhalten worden, und für den 
Bezirk der Stadt Papenburg sind die Bestimmungen der ostfriesischen Deich= und Siel- 
ordnung v. 12. Juni 1853 und der zu derselben erlassenen Novelle v. 5. Jan. 1864 
  
1 Offiz. Wochenbl. für Lauenburg 1875, Nr. 21, tume, und in der Provinz Hannover unter sinn 
S. 291. ! gemäßer Anwendung der Vorschriften des han- 
Ebendas. 1857, S. 49. növerschen Gesetzes v. 16. Sept. 1346, betreffend 
5 G. S. 1848, S. 54. Vgl. Löning, Verw. die Veräußerungspflicht behufs der Anlage von 
R., S. 679; Hermes in Stengels Wörterb., Schiffahrtokanalen erfolgen soll. Uber die Gründe 
Be. I. S. 262, sowie die dort zitterte Viteratur dieser Abänderung vgl. die Motive zum Art. 1 
und Gesegebung. des Entwurfs des Gesetzes in den Stenogr. Ber. 
* G. S. 1872, S. 377 ff. des Abg. H. 1871—72, Anl. Bd. I. Aktenst. 
5 Ter S. 20 des G. v. 28. Jan. 1818 ist durch! Nr. 53, S. 277, Sp. 1. Mit Rücksicht auf §. 53 
den Art. 1, Ziff. 6 des G. v. 11. April 1872 dees Enteignungsgesetzes v. 11. Juni 1874 wird 
dahin abgeändert worden, daß die Ermittelung anzunehmen sein, daß dessen allgemeine Vor- 
und Feststellung der Entschädigung in der Pro# schriften jent an die Stelle der betreffenden varti- 
vinz Schleswig-Holstein nach Mangabe der dort kularrechtlichen Vorschriften der schlerwig holsteint- 
bestehenden allgemeinen Vorschriften über die schen, bezw. hannoverschen Expropriationsgesetze 
Entziehung und Beschrankung des Grundeigen= zur Anwendung gelangen müssen.
	        
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