Das Recht der freien Meinungsäußerung. (§S. 59.) 253
weg. Im Preußischen Staate war eine Zensur der Schriften vor dem Duucke zuerst
nur für theologische Schriften durch das Reskript v. 11. Mai 16541 angeordnet, diese
Zenfur aber durch das Reskript v. 7. März 17412 erweitert worden. Sodann erging
das Zensuredikt v. 11. Mai 1749 nebst dem Reskript v. 28. Sept. 1751 wegen Be-
strafung der Kontraventionen gegen dies Edikt“, und unterm 19. Dez. 1788 das er-
neuerte Zensuredikt.5 Die Deutsche Bundesakte v. 8. Juni 1815 hatte im Art. 18,
Lit. 4 bei der Aufzählung der Rechte, welche den deutschen Untertanen zustehen sollten,
der Preßfreiheit gedacht, indem verheißen wurde, daß die Bundesversammlung sich bei
ihrer ersten Zusammenkunft mit „Abfassung gleichförmiger Verfügungen darüber“ be-
schäftigen werde"; allein statt diese Verheißung zu erfüllen, wurde durch das sog.
Bundespreßgesetz v. 20. Sept. 1819 bestimmt, „daß Druckschriften unter zwanzig Bogen
in keinem Bundesstaate ohne Vorwissen und vorgängige Genehmigung der Landesbehörden
zum Druck befördert werden sollten"“. Dieser Beschluß wurde damals nur auf fünf
Jahre gefaßt, durch den Bundesbeschluß v. 16. Aug. 1824 jedoch auf so lange erstreckt,
„bis man über ein definitives Gesetz sich vereinbart haben werde“. Eine Reihe von
ferneren Bundesbeschlüssen enthielt weitere Maßregeln gegen die Presse, und durch den
Bundesbeschluß v. 29. Nov. 1832 wurde die Zensuranwendung auch auf lithographierte
Blätter ausgedehnt. In Preußen erging, unter Publikation des Bundesbeschlusses vom
20. Sept. 1819, für den ganzen Umfang der Monarchie das (alle früheren Zensur-
gesetze aufhebende) Zensuredikt v. 18. Okt. 18197, welches durch die Kabinettsorder
v. 18. Sept. 18248 bis auf weiteres verlängert und durch eine Reihe späterer Erlasse?
noch verschärft wurde. Erst nach dem Regierungsantritte König Friedrich Wilhelms IV.
traten wesentliche Erleichterungen ein. Die Kabinettsorder v. 4. Okt. 1842 10 ver-
ordnete, daß die in Preußen erscheinenden Bücher, deren Text mit Ausschluß der An-
lagen zwanzig Druckbogen übersteigt, wenn der Verfasser und Verleger auf dem Titel
genannt sind, der Zensur nicht ferner unterworfen sein sollten, und die Kabinettsorder
v. 4. Febr. 184 3 11 erteilte eine liberale Zensurinstruktion in betreff der Zeitungen und
Flugschriften. Dann wurde mittels Verordnung v. 23. Febr. 184 3 12 eine zweckmäßigere
Organisation der Zensurbehörden eingeführt und ein Oberzensurgericht eingerichtet, welchem
auch die Entscheidungen über Beschwerden wegen verweigerter Druckerlaubnis übertragen
wurden, und eine Verordnung v. 30. Juni 184313 erteilte umfassende (erleichternde)
Instruktionen hinsichtlich der die Presse und Zenfur betreffenden Vorschriften. 15 Durch
die Ereignisse des Jahres 1848 gezwungen, fand sich demnächst die deutsche Bundes-
versammlung veranlaßt, mittels Beschlusses v. 3. März 1848 das provisorische Bundes-
preßgesetz v. 20. Sept. 1819 für aufgehoben zu erklären. 15 Die Preßgesetzgebung der
Bundesstaaten blieb nunmehr diesen selbst überlassen, und in den meisten derselben er-
gingen darüber, unter Beseitigung der polizeilichen Zensur, besondere Gesetze. Im
Preußischen Staate hob das Gesetz über die Presse v. 17. März 1848 15 die Zensur
auf, indem es alle auf dieselbe bezüglichen Bestimmungen, Anordnungen und Strafvor-
schriften außer Kraft setzte (§. 1). Gleichzeitig erteilte dieses Gesetz Vorschriften, welche
1 In Mylius, C. C. M., Tom. I, Abt. I. Nr. 19. 1% G. S. 1842, S. 250.
Ebendas. Tom. II, Abt. X, Nr. 7. 11 G. S. 1843, S. 25.
* Ebendas. Cont. IV, Nr. 58, p. 150. 1 G. S. 1843, S. 31.
* In Mülius, N. C. C., Tom. L, Nr. 84, p. 157. 12 G. S. 1843, S. 257.
* Ebendas. Tom. VIII, Nr. 95, p. 2339. — 14 Vgl. diese Verordnungen in v. Rönne
Bgl. darüber J. F. Unger, Einige Gedanken und Simon, Polizeiwesen des Preußischen
über das Zensuredikt v. 19. Dez. 1788 (Berlin, icates, Supplementband I, S. 88—115. —
1789), und das Nähere hierüber in v. Rönne ber die damalige Lage der preußischen Preß-
u. Simon, Polizeiwesen des Preußischen Staates,
Bd. 1. S. 679 ff.
* Ugl. hierüber Zachariä, D. St. u. B. R.,
3. Aufl., Bd. 1, S. 453 ff.; Zöpfl, Grundsätze
des gem. d. St. R., 5. Ausg., Bd. II, S. 627.
7 G. S. 1819, S. 224.
* G. S. 1824, S. 164.
* Vgl. dieselben in v. Rönne u. Simon,
Polizeiwesen d. Preuß. Staates, Bd. l, S. 688—735.
gesetzgebung vgl. A. Alker, Preußens Preßgesetze
und der Buchhandel in Preußen (Lissa u. Gnesen,
1844); Fr. H. Hesse, Die Preßgesetzgebung,
ihre Vergangenheit und Zukunft (Berlin 1843).
15 Vgl. Weil, Quellen und Aktenstücke zur
deutschen Verfassungsgeschichte. S. 90, und Roth
und v. Merk, Quellensammlung, Teil I, Nr. 10,
11, 13.
16° G. S. 1848, S. 69 ff.