210 Staat und Kirche. (8. 129.)
ordnungen der landesherrlichen Kirchengewalt wurden zunächst nicht erfüllt. Es bedurfte
erst einer besonderen Veranlassung 2, um Presbyterien und Synoden einzuführen. Die
Regierung setzte 1863 zur Vorbereitung einer Vorsynode eine Kommission ein und legte
dieser den Entwurf einer Kirchenvorstands= und Synodalordnung vor.3 Nach längeren
Verhandlungen kam die Kirchenvorstands= und Synodalordnung für die evangelisch-luthe-
rische Kirche des Königreichs Hannover v. 9. Okt. 1864“ zustande. Dazu erging das
Staatsgesetz v. 9. Okt. 1864 betreffend die Kirchenvorstands= und Synodalordnung.?
Durch diese Gesetzgebung wurden Bezirkssynoden und eine Landessynode angeordnet,
während die Zwischenstufe der Provinzialsynoden weiterer Entwicklung vorbehalten blieb.
Die Bezirkssynoden bestehen unter dem Vorsitz des Bezirkssuperintendenten aus sämtlichen
geistlichen Mitgliedern der Kirchenvorstände, einer gleichen Anzahl von Gemeindemitgliedern,
welche von den weltlichen Mitgliedern der Kirchenvorstände aus ihrer Mitte gewählt
werden, allen Pfarrgeistlichen und den Geistlichen der öffentlichen Anstalten des Bezirks,
zwei evangelisch-lutherischen Volksschullehrern und höchstens zwei von der Kirchenregierung
zu ernennenden Ortsbeamten. Ihr Zusammentritt erfolgt in der Regel alljährlich. Ihre
Aufgabe besteht namentlich in der Aussicht über die kirchlichen und sittlichen Zustände
ihres Bezirkes, Handhabung der Disziplin über die Kirchenvorsteher und Entscheidung
der Streitigkeiten über die Wahlen zu dem genannten Amte. Die Landessynode ist alle
sechs Jahre zu berufen und durch jedesmalige neue Wahlen bzw. Ernennungen zusammen-
zusetzen. Sie besteht aus dem Präsidenten des Landeskonsistoriums, dem Abt zu Loccum,
einem von der theologischen Fakultät der Universität Göttingen gewählten theologischen
und einem vom Könige ernannten juristischen Professor dieser Universität, zwölf vom
Könige ernannten Mitgliedern (geistlichen und weltlichen in gleicher Zahl) und endlich
neunundzwanzig geistlichen und ebensovielen nichtgeistlichen Abgeordneten, welche von den
Bezirkssynoden gewählt werden. Die Landessynode hat ihre Aufmerksamkeit auf die kirch-
lichen Zustände des Landes zu richten und durch Anträge und Beschwerden bei der
Kirchenregierung, sowie durch Erledigung der von dieser gemachten Vorlagen auf den
Gebieten der Verwaltung und Gesetzgebung das allgemeine kirchliche Interesse wahrzu-
nehmen. Kirchliche Ausgaben, soweit sie den Gemeinden zur Last fallen, bedürfen der
Genehmigung der Landessynode; Kirchengesetze werden unter ihrer Genehmigung erlassen,
aufgehoben, abgeändert oder authentisch interpretiert, während der Kirchenregierung die
Nedaktion obliegt; diese darf ferner nur mit Genehmigung der Landessynode neue Kate-
chismen, Agenden oder Gesangbücher einführen. Einem von der Landessynode gewählten
Ausschusse aus drei geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern gebührt teilweise in Ver-
bindung mit dem Landeskonsistorium, welches auch in wichtigen Fragen das Gutachten
des Ausschusses einzufordern hat, eine Reihe von Befugnissen bei Widerspruch der Ge-
meinden gegen die Bestellung der Pfarrer und Beurteilung der Rechtgläubigkeit der im
geistlichen Amte stehenden Personen. Uber den Provinzialkonsistorien steht das auf Grund
des §. 57 der Kirchenvorstands= und Synodalordnung durch Verordnung v. 17. April
1866 errichtete Landeskonsistorium für die evangelisch-lutherische Kirche Hannovers,
welches aus ordentlichen und außerordentlichen Mitgliedern zusammengesetzt ist. Ihm sind
alle kirchlichen Behörden — mit Ausnahme ihrer Zuständigkeit für die reformierte Kirche —
unterworfen, während es selbst dem Ministerium für die geistlichen Angelegenheiten unter-
stellt ist. Den Geschäftskreis des Landeskonsistoriums bilden diejenigen Angelegenheiten,
welche das Bekenntnis und die Lehre der Kirche, die Seelsorge, den Kultus und die
1 Über die von der hannoverschen Regierung
2 Sander, Die Synodalfrage in bezug auf
veranlaßten vergeblichen Schritte zur Erfüllung die evangel.-luther. Kirche im Königr. Hannover
dieser Verheißungen in den Jahren 1848—54
vgl. Lehzen, Hannovers Staatshaushalt, Bd. II,
S. 286—288.
* Nämlich des Streites über die von der Re-
gierung 1862 versuchte Einführung eines neuen
Katechismus. Vgl. die Verordn. v. 14. April
und 19. Aug. 1862, betr. den evangel. -uther.
Katechismus (G. S. für Hannover 1862, Abt. 1,
S. 27, 349).
nach Geschichte und Recht, 1863.
4 G. S. für Hannover, 1864, Abt. I, S. 413.
5 Ebenda S. 437. Zur Ausführung der K. V.
u. S. O. erging die Bekanntmachung des Kultus-
min. v. 20. Okt. 1864 (a. a. O., S. 4141), später
die Bekanntmachung des preuß. Generalgouverne-
ments v. 18. Jan. 1867 und die Bekanntmachung
des Landeskonsistoriums v. 14. Aug. 1869.
6 G. S. für Hannover 1866, Abt. I, S. 105.